Street-Art-Kurator Rik Reinking: Von der Kunst, Vorurteile abzubauen

Rik Reinking sorgt für ein wahrhaft einzigartiges Street-Art-Erlebnis. Er hat die internationale Szene nach Barmen geholt.

Herr Reinking, was ist der Unterschied zwischen Graffiti und der sogenannten Street Art?

Rik Reinking: Ich glaube, der bessere oder treffendere Begriff für diese gegenwärtige Bewegung wäre Urban Art. Also Kunst, die ihre Wurzeln im Urbanen — im Stadtraum — hat. Street Art und Graffiti sind Spielarten und Ausdrucksformen dieser Bewegung. Dabei versteht man unter Graffiti „Malen“ mit der Sprühdose. Street Art zeigt sich eher in Form von Stickern, Plakaten und Paste-Ups (Anmerkung der Redaktion: ein Paste-Up ist ein mit Kleister oder Leim aufgezogenes Plakat).

Was antworten Sie all jenen, die der Meinung sind, dass diese Art der zeitgenössischen Ausdrucksmöglichkeit keine „Kunst“ sei und auch nicht ins Museum gehöre?

Reinking: Denen antworte ich, dass sie es sich erst einmal anschauen sollten. Ich habe nur allzu oft Sätze gehört wie: „Das hätten wir nicht gedacht.“ Die meisten nehmen ihre Vorurteile zurück, sobald sie diese Arbeiten gesehen haben. Werke von zeitgenössischen Künstlern, wie sie in der aktuellen Ausstellung in Wuppertal zu sehen sind, bestechen ja durch ihre Qualität — sowohl in ihrer Idee wie auch in ihrer Umsetzung.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Teilnehmer der Sonderausstellung ausgesucht?

Reinking: Es ist eine Auswahl der international erfolgreichsten und anerkanntesten Künstler dieser Bewegung. Die Künstler kommen unter anderem aus Südafrika, Südamerika, den USA und Europa.

Es ist bereits das zweite Projekt, das Sie im Auftrag des Von der Heydt-Museums realisieren. Was unterscheidet die aktuelle Ausstellung von der vorausgegangenen Street-Art-Schau?

Reinking: Ich denke, der erste Teil war farbenfroher und explodierender. Die aktuelle Schau ist reifer und politischer. Das entspricht aber ja auch unserer Zeit. Von den Besuchern habe ich die unterschiedlichsten Kommentare gehört, aber es hält sich die Waage. Den einen gefiel der erste Teil besser. Die anderen können mit dem, was jetzt gezeigt wird, mehr anfangen. Genau das war mir aber wichtig. Eine einfache Wiederholung wäre in meinen Augen uninteressant gewesen.

Wuppertal wird durch die Ausstellung erneut zum Treffpunkt der internationalen Urban-Art-Szene. War es leicht oder schwierig, die Künstler nach Barmen zu holen?

Reinking: Es war gar nicht so leicht, alles zeitlich zu koordinieren und auf genau eine Woche des Aufbaus zu konzentrieren. Zumal die Terminkalender der beteiligten Künstler voll sind. Über Jahre gewachsene freundschaftliche Beziehungen zu den Künstlern haben mir da schon sehr geholfen.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Ausstellungen entstanden die meisten Arbeiten direkt in Barmen — kurz vor der Eröffnung. Gab es dabei Überraschungen?

Reinking: Jeden Tag und jede Stunde. Das hat mit der tatsächlichen Ankunft der einzelnen Künstler begonnen und ging über die Materialbesorgung bis zur Verpflegung und zu den Getränken. Bei so vielen Künstlern, die alle zur selben Zeit am selben Ort arbeiten, ist man dann schon ziemlich viel unterwegs.

Blutet Ihnen nicht das Herz, wenn Sie am Ende sehen, wie die Werke wieder verschwinden und übermalt werden, weil die Wände der Kunsthalle für die nächste Ausstellung frisch gestrichen werden?

Reinking: Nein, gar nicht. Ich denke, jede Arbeit hat ihre Zeit. Und ich empfinde es als nur konsequent, dass Arbeiten auch wieder verschwinden. Man muss wirklich nicht alles aufheben. So ist jeder Einzelne aufgefordert, die Ausstellung auch zu besuchen. Das, was er hier und jetzt in der Kunsthalle Barmen zu sehen bekommt, wird er so sicherlich nie wieder zu sehen bekommen. Und das ist doch schön.

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