Gesellschaftshaus Union Sound of the City: Mit Taschenrechner-Musik und Utopien

Als gemischte Kultur-Tüte präsentierte sich Sound of the City im Gesellschaftshaus Union.

Gesellschaftshaus Union: Sound of the City: Mit Taschenrechner-Musik und Utopien
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Feine Sache: Sound of the City lässt wieder von sich hören. Nach dem Auftakt im November 2016 geht es jetzt weiter mit dem „Utopia“-Projekt der Künstlergruppe „Kommando Himmelfahrt“ und der Wuppertaler Bühnen. Dreimal finden sich dafür im Mai Vertreter der Stadtgesellschaft und lokale Musiker zusammen. Am vergangenen Freitag spielten im Gesellschaftshaus Union so unterschiedliche Akteure wie die Band Gorilla Moon und der Elektro-Musiker Tronimal, Gitarrist Martin C. Herberg und das „Schlag Art Ensemble“ der Bergischen Musikschule. Mit Bazon Brock stand ein Denker auf dem Podium, der zum Themenabend „Wissenschaft, Kunst, Kultur“ erhellende Gedanken beitrug.

Das Gesellschaftshaus Union an der Friedrich-Engels-Allee ist ein geschichtsträchtiges Gebäude. Gut 150 Jahren alt, diente es in der Nachkriegszeit den Wuppertaler Bühnen als Spielstätte. An diesem Abend machte ein Team der Bühnen den mit Stuck verzierten Gesellschafts-Saal wieder zum Auftrittsort. Künstler Carl-John Hoffmann filmte die Musiker und zeigte sie — kombiniert mit Mustern und Figuren — auf einer Video-Leinwand. Sobald die etwa siebzig Besucher auf ihren Plätzen saßen, hörte man Moderator Thomas Fiedler: „Achtung bitte! Die Aufnahme läuft.“

Denn auch diesmal wurde mitgeschnitten für die Vinyl-LP, die als klingendes Selbstporträt Wuppertals gedacht ist. Bei der Abschlussveranstaltung am 20. Mai wird sie per Fesselballon losgeschickt. Vorbild sind die Schallplatten mit dem musikalischen Erbe der Menschheit, die die Raumsonde Voyager Mitte der Siebziger Jahre ins All schoss.

Bei den Aufnahmesessions zeigten sich die Musiker spielfreudig und dabei hochkonzentriert. Gitarrist Eugen Egner und seine Gorilla Moon-Kollegen Dietmar Wehr (Bass) und Dietrich Rauschtenberger (Schlagzeug) sorgten für einen kontrollierten Ausbruch von Free Jazz-Ekstase. „Ich bin der Musikant mit dem Taschenrechner in der Hand“ — dass man den Slogan der Band Kraftwerk ernst nehmen kann, zeigte Jörg Rittershaus alias Tronimal. Seine Musik kam tatsächlich aus einem handelsüblichen Taschenrechner und klang mal nach Gameboy, mal nach hitverdächtigem Techno. Das Beste waren die prägnanten Rhythmen. Dazu wippten Zuhörer gern mit dem Kopf.

Hundertprozentig akustisch spielte das „Schlag Art Ensemble“. Angeleitet von Kai Angermann, musizierten fünf Jugendliche auf Instrumenten aus Plastik, Holz und Metall. Über die größte Soundpalette verfügte Martin C. Herberg. Mit seiner Hi-Tech-Gitarre schuf er eine stimmungsvolle Collage aus Musik, Geräuschen und Stimmen.

In seinem Vortrag sah Bazon Brock die Nähe von utopischem Denken und Erzählen. Der „Bund der Utopisten“, der seinen Wuppertaler Ableger parallel zum Start von Sound of the City gegründet hatte, erinnere ihn an die Brüder Grimm. Der Unterschied sei, dass es den Utopisten nicht um „Es war einmal“, sondern um „Es wird einmal sein“ gehe.

Als Beispiel für utopische Kunst nannte Brock die Bauhaus-Architektur und deren Streben nach dem „Generalisieren von Standards“. Über die Kritiker dieser „Durchdringung der Welt“ konnte Brock nur den Kopf schütteln. Im Feld der Kultur identifizierte er das Utopische mit „Kritik an der harten Wahrheit.“ Früher sei Cholera eine solche Wahrheit gewesen. Doch Menschen hätten sich getraut, die Cholera nicht mehr als naturgegeben wahrzunehmen, und ihren Beitrag zur Eindämmung der Krankheit geleistet.

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