Sinfoniker entführen ihre Gäste in neue Welten

Das städtische Orchester spielte am Samstagabend in der Stadthalle.

Wuppertal. Im Konzert zur Saisoneröffnung entführte das Wuppertaler Sinfonieorchester unter Toshiyuki Kamioka in neue Welten.

Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn das früheste Werk des Abends, Antonin Dvoráks neunte Sinfonie von 1893, trägt den Beinamen "Aus der Neuen Welt". Sollte der Komponist doch, in den zwei Jahren seines Amerika-Aufenthaltes, eine genuin "amerikanische" Musik schaffen. Obwohl seine Neunte Elemente indianischer Musik, wie Pentatonik, leere Quinten oder rhythmische Synkopisierungen enthält und Anleihen bei Negro-Spirituals auszumachen sind, entstand doch eine Sinfonie voller Alte-Welt-Traditionen.

Das Sinfonieorchester musiziert sie lebendig. Kamioka, für den die kommenden fünf Wuppertaler Jahre beginnen, lotst gewohnt engagiert durch die vier Sätze mit besonders schönen Solo-Passagen, etwa der des sehnsuchtsvoll geblasenen Englischhorns im zweiten Largo-Satz. Dvorák komponiert zyklisch, lässt seine Themen immer wieder Revue passieren, so dass dem machtvollen "Allegro con fuoco"-Finale unbedingt Ohrwurm-Qualitäten innewohnen.

Die "Neue Welt" mit dem Jazz als wahrer amerikanischer Volksmusik, thematisiert 32 Jahre später George Gershwin in seinem F-Dur-Klavierkonzert. Schalkhaftes trägt den Rhythmus des ersten Satzes, das Hauptthema aber ist melodisch-breite Filmmusik. Der Pianist Rudolf Buchbinder, der in Wuppertal zuletzt vor zwei Jahren mit einem reinen Beethoven-Programm gastierte, nimmt seinen Part klassisch-elegant und gewichtig. Doch plötzlich lässt er swingenden Jazz aufblitzen oder schafft ein impressionistisches Klangbild.

Das heftige "Allegro agitato" ist eine Rondoform mit vielen zerfasernden Gedanken, die über heftige Rhythmen zum breiten, sinfonischen Schluss im Stil von frühen Filmmusiken führen. Seine Herkunft aus Österreich aber kann der Pianist mit der fulminanten Johann-Strauß-Zugabe dann doch nicht verleugnen.

In ganz neue Klangwelten aber taucht die Koreanerin In-Sun Cho mit ihrem Werk " Tal " ein, das sie 2008 für das Wuppertaler Sinfonieorchester komponierte. Die Uraufführung beginnt mit einem Klangnebel im verdunkelten Saal, durch den leise Glöckchen und metallisch scheppernde Bleche huschen, bevor helles Quietschen und Schnarren Klang-Cluster bilden, die fernes Maschinen-Rangieren assoziieren. Sich überlagernde Bläser- und Streicher-Liegeklänge, heftige Schlagwerker-Einlagen und düsteres Blech-Grummeln schaffen eine Musik, die Unruhe spiegelt und lähmende Spannung aufbaut - bis sie mit Wispern und Raunen wie zur Geisterstunde im Dunkel geheimnisvoll endet.

Das Publikum im fast voll besetzten großen Saal feiert jede Komposition und ihre Deutung Orchester mit Bravo-Rufen und stehendem Schlussapplaus.

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