Sgraffiti wurden auch an Wuppertaler Fassaden angebracht. Etliche stammen von Diet Plaetzer Eindrucksvolle Zeitzeugen schmücken die Hauswand

Etliche stammen von Diet Plaetzer. Die einfache Kunsttechnik hat Geschichte.

 An der Henkelstraße in Langerfeld steht dieses Gebäude mit seinen stilisierten Sportlern.

An der Henkelstraße in Langerfeld steht dieses Gebäude mit seinen stilisierten Sportlern.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Sie gehören ins Stadtbild, wenngleich sie gerne übersehen werden. Nur dem auffallen, der die Hauswände bewusst anschaut, an denen er vorübergeht. Sgraffiti, zu deutsch Kratzbilder, sind per Definition in den noch feuchten, mehrschichtigen Putz gekratzte, reliefartige Fassadenbilder, die durch den Kontrast der Farben entstehen. Auch in Wuppertal gibt es sie, der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz in Köln ist ihnen auf der Spur, hat mittlerweile für die Stadt über 20 Sgraffiti aufgelistet.

Alexander Hess ist Diplom-Geograph beim Kölner Regionalverband des Rheinischen Vereins. Er erfasst seit 2019 die Kratzputze in der Region, weiß um ihre Geschichte, die in der Renaissance in Italien beginnt. Im 16. Jahrhundert wurden sie von Baumeistern über die Alpen nach Deutschland und Österreich gebracht. In der Nachkriegszeit erlebten sie in Deutschland ein Comeback, gefördert durch diverse Förderprogramme, etwa „Kunst am Bau“. Für sie sprach, dass sie schnell, mit einfachen Mitteln, preiswert und haltbar herzustellen waren. Zugleich künstlerische Gestaltungsfreiheit und Individualität ausdrückten. Dargestellt wurden „arbeitende Menschen, Familien, häusliche Szenen, Sportler, Tiergruppen, Stadtansichten“, aber auch Heilige, Werbeszenen von Firmen oder Handwerkern sowie geometrische und abstrakte Szenen, weiß Hess: „Entscheidend waren Geschmack oder Wunsch des Auftraggebers und das Genre des Künstlers. Und die jeweilige Fassade, die zu Siedlungsbauten und privaten Wohnhäusern einerseits sowie öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern, Schulen, Krankenhäusern sowie Kirchen andererseits gehören konnte.“

Weil die Relief-Arbeiten gerne „architektonisch einfachere Gebäude“ schmücken, die nicht unter Denkmalschutz stehen, wurden sie weder geschützt noch inventarisiert, erklärt Hess. Folge: Viele verschwanden im Zuge von Fassadensanierungen mit den Jahren unter Dämmschichten oder Farbanstrichen. Zum Leidwesen vieler Menschen, die die „Volkskunst“ wertschätzen. Die Nachkriegsgeneration assoziierte auch „den Verlust einer Erinnerung an Kindertage“. Umso erfreulicher ist es da, wenn wie im Fall der Sanierung des ehemaligen DB-Bahndirektionsgebäudes am Elberfelder Döppersberg zwei Sgraffiti der 1950er Jahre mit Wuppertaler Eisenbahnszenen wiederentdeckt wurden.

Unter Dämmschichten oder Farbanstrichen verschwunden

Bei den gut 20 gesicherten Sgraffiti in Wuppertal konnte Hess die Hälfte einem einzigen Künstler zuordnen, die sich meist im Barmer Zentrum, Elberfeld und Langerfeld befinden: Diet Plaetzer, der von 1892 bis 1958 in Elberfeld lebte. Der Maler besuchte die Kunstgewerbeschule Elberfeld sowie die Kunstakademien in Düsseldorf, Weimar und Leipzig, war Meisterschüler in Südtirol bei dem umstrittenen österreichischen Maler Albin Egger-Lienz. Paetzers Darstellungen seien „eher bodenständig, volkstümlich, wie sie für die Dreißigerjahre, aber auch die Fünfzigerjahre typisch sind“, beschreibt Hess und nennt Beispiele. „Zwei Arbeiten sind – mit „p“ signiert – in der Heinrich-Janssen-Straße: ein kleines Sgraffiti: Reiter mit Pferd und eine leider weißlich überstrichene, sehr detailreiche Arbeit über dem Eingangsbereich der Hausnummer 16: Mutter mit zwei Kindern. In den 1950er Jahren schuf Plaetzer Sgraffiti für Wohnhäuser der heutigen Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Wuppertal: Die Bauten an der Henkelstraße in Langerfeld, wo er Sportler oder Bauern verewigte und mit „p“ oder Namenszug signierte. An der Kieler Straße/ Ecke Lothringer Straße prangt über drei Etagen seine Menschengruppe beim Richtfest, die Plaetzer Ende der 1930er Jahre schuf. Ein Mann hält einen Baum in der Hand, um ihn herum Handwerker, Mutter, Kinder und Hund.

Eher abstrakt dargestellt sind ein Erwachsener mit Kind, der inmitten der Häuser der Großstadt steht. „Walber“ hat das Sgrafitti für das Gebäude Ecke Else-Lasker-Schüler-Straße 17/ Deweerthstraße geschaffen. „Leider wissen wir noch nicht, wer sich dahinter verbirgt“, erzählt Hess. Ein großes Fische-Sgraffito wurde in die Fassade Reitbahnstraße 10/ Wielandstraße in der Nordstadt gekratzt. Sgrafittis befinden sich am Ascheweg 3 in Ronsdorf, über den Haustüren Parsevalstraße 3 / Ecke Gronauer Straße 2, neben einer Haustür an der Lenneper Straße 43, zwei geometrische Exemplare an der Heckinghauser Straße 54 und 62 und eine männliche Figur mit stilisiertem Werkzeugwagen an der Buchenhofener Straße 23 in Sonnborn, eine geometrische Szene an der Zunftstraße in Elberfeld.

Die Liste ließe sich fortsetzen, Vollständigkeit wird wohl nie erreicht. Alexander Hess ist weiter auf der Suche.

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