Schauspielhaus: Franz Schubert, Piraten und der Herr der Ringe

Markus Höller arbeitet für junge Leute – und mit ihnen. Bei „Sun Dogs“ trifft klassische Musik auf die moderne DJ-Kultur.

Wuppertal. Seit jeher wurden in der Kunst Schmerz und Entfremdung Ausdruck verliehen. Vor allem Dichter und Komponisten der Romantik machten dies zum zentralen Thema. So auch Franz Schubert (1797-1828), der die Gedichte von Wilhelm Müller (1794-1827) vertonte und so den Liederzyklus "Die Winterreise" schuf.

Eine dem Vorbild gerecht werdende düstere Umsetzung dieser Winterreise ist die Inszenierung "Sun Dogs" der Wuppertaler Bühnen. Theaterpädagoge und Regisseur Markus Höller hat mit jungen Musikern und Künstlern eine beeindruckende Performance erarbeitet. Ihr Gäste tauchen im Schauspielhaus-Foyer ein in eine dunkle Welt aus Klängen und Worten, Bildern und Text(fragmenten). Zuständig für die Klangbildexperimente ist neben den "Raumzeitpiraten" Tobias Daemgen und Moritz Ellerich Jan-Philipp Teske, der an E-Gitarre und DJ-Pult agiert.

Überzeugend dargeboten wird die zeitlose Geschichte des schmerzerfüllten Wanderers von Reinhold Schreyer-Morlock (Bariton) und Britta Elschner (Piano). Ist man anfangs vielleicht noch ein wenig irritiert, dass sich die surreal anmutende Verlassene mit dem Protagonisten in Jeans und Hemd im Zusammenspiel befindet, untermauert doch gerade dieser optische Gegensatz die Entfremdung, die bloße Erinnerung an etwas, das im Strudel des Schmerzes und Selbstmitleids verwässert, bis auch der Antworten suchende Wanderer sich schließlich in Selbstentfremdung verliert.

In Szene gesetzt wird diese Entwicklung mit zahlreichen Reglern, Tasten und Mouse-Klicks. Da klingt ein tropfender Eiszapfen wie ein Ork aus "Herr der Ringe" und das Zerreißen eines Blattes gerät zum Donnerhall.

Auch das Auge, das sich in dieser Inszenierung reichlich umschauen muss, bekommt Einiges geboten. Visuelle Eindrücke gibt es nicht nur auf der zentralen Leinwand, sondern auch an der Raumdecke, den Wänden, aus Monitoren und auf Stellwänden. Die in Zusammenarbeit mit dem Wuppertaler Medienprojekt entstandenen Videos veranschaulichen die Gefühlswelt des Wanderers, zeigen einmal eine Perspektive, die an David Lynchs "Lost Highway" erinnert, ein anderes Mal sieht man Originalinterpreten von "Der Lindenbaum" (mit der bekannten Zeile "Am Brunnen vor dem Tore"), die, so zusammengeschnitten, beinahe wie in einem zeitgenössischen Casting wirken.

Hier wird ein insgesamt wohl durchdachtes, sanft inszeniertes Werk verwirklicht, das nach spannenden 75 Minuten mit Nachhall endet - und bei vielen sicher noch länger nachhallt.

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