Premiere In einem jeden wohnt ein Stück von „Richard III.“

Schauspiel Wuppertal führt das Drama von William Shakespeare auf. Premiere am 11. Mai.

 Zeigen ihren „Richard III.“ in Wuppertal: Hanna Rode (vorne r.), Vasna Aguilar und Henri Hüster (l.).

Zeigen ihren „Richard III.“ in Wuppertal: Hanna Rode (vorne r.), Vasna Aguilar und Henri Hüster (l.).

Foto: Schwartz, Anna (as)

Sind wir nicht alle ein wenig Richard III.? Die Frage könnte sich den Zuschauern stellen, die die Premiere des gleichnamigen Shakespeare-Dramas am 11. Mai im Theater am Engelsgarten besuchen. Das 1593 aufgeführte, dem Urbild des mörderischen und zynischen Ungeheuers gewidmete Stück um den letzten Herrscher (1452 bis 1485) aus dem Haus Plantagenet, mit dessen Tod die Epoche der Rosenkriege in England endete, hat schon viele, mal mehr, mal weniger spektakuläre Interpretation erfahren. In Wuppertal inszeniert man mit großem Besteck, zugleich mit dem Blick auf die heutige Gesellschaft.

In den vielen Jahren, die Schauspielintendant Thomas Braus nun schon in Wuppertal auf der Bühne steht, hat er viele Shakespeare-Aufführungen erlebt, aber „Richard III.“ war noch nicht dabei. Nun freut er sich auf die Titelrolle. Und Henri Hüster, der das Stück inszeniert, betont die Bedeutung des Stoffes, der „uns alle weiterbringt, weil er die Frage stellt, wie heruntergekommen eine Gesellschaft sein muss, in der so einer wie Richard möglich ist“. In den Berichten über Trump oder Erdogan werde immer die Gesellschaft außer Acht gelassen, dabei müsse diese einen bestimmten Verrohungsgrad erreicht haben, „jeder einen kleinen Richard in sich haben“, damit solche Phänomene möglich werden. Dabei wollen die Wuppertaler nicht die Gegenwart in dem Stück suchen, sondern den Spieß umdrehen. Hüster: „Da, wo Richard am schwärzesten ist, die Welt möglichst fremd erscheint, soll der Zuschauer einen Schockmoment erleben, indem ihm die Bezüge zur Inszenierung der Politik heute klar werden.“ Die Richard stets angedichtete Hässlichkeit des Körpers, die nicht mit dem historischen König übereinstimmte, aber die Machtübernahme der Tudors legitimieren und den Glauben an die Zusammengehörigkeit von hässlichem Geist und ebensolchem Körper belegen sollte, wollen die Wuppertaler durch ein bewusst körperliches Spiel umsetzen. „Die Sprache wird auf den Körper übertragen, der sie teilweise ersetzt“, erklärt Vasna Aguilar, die sich um die Choreographie kümmert.

Bewusst körperliches Spiel auf einer grenzenlosen Bühne

Um zu zeigen, wie heruntergekommen und verroht die Menschen waren, sind die Kostüme bewusst unschön und fragmentarisch, die Schauspieler greifen nach einem gerade zur Rolle passenden Stück aus der Funduskiste. „Alle Rollen sind nur Mittel zum Zweck. Jeder will Richard sein, die Krone kriegen, die Symbol der Macht und des Überlebens ist“, erklärt Hanna Rode, die für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet.

Die Bühne, auf der das ganze Ensemble und zwei Kinderdarsteller agieren - Braus: „Wir gehen ganz bewusst mit einem großen Klassiker in ein kleines Haus“ - ist grenzenlos, bezieht den Zuschauerraum mit ein. Es entsteht ein „Raumtheater“, das den Schauspieler mitunter zum Zuschauer macht, der weniger weiß als das Publikum in den (sonst eher benachteiligten) obersten Rängen. Aufgestellt wird nur eine einzige riesige Wand, „die die Figuren unentrinnbar dem Publikum entgegen drückt und die Geschichte voranbringt“, sagt Rode. Am Anfang sind dies acht kahlköpfige Richards, die im Wettbewerb darum streiten, wer die beste Version des körperlich behinderten Königs ist, sich dazu auch verschiedener Textfassungen bedienen. Bis der echte Richard, der Thomas Braschs Übersetzung spricht, ihr Tun beendet und sie gezwungen sind, in andere Rollen zu schlüpfen. Derweil er selbst vollendet mit ihren Versionen spielt wie mit all den anderen Unwahrheiten. Ob der Körper wirklich so ist, wie er dargestellt wird oder alles nur Show ist, muss dabei offen bleiben.

Das Stück geht dem Mythos Richard III. nach und erzählt dadurch auch etwas über das Theater selbst. „Shakespeare zwingt einen dazu“, erklärt Braus. Und auch wenn die Inszenierung Herausforderung und hie und da Überforderung sein mag, „an bestimmten Punkten kann sie durch die verschiedenen sprachlichen oder körperlichen Bilder auch klarer werden“ Hüster jedenfalls weiß, dass sie den Schauspielern auf jeden Fall Spaß mache und hofft, dem Publikum auch.

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