Sänger und Sinfoniker meistern die Apokalypse mit Bravour

Der Chor der Konzertgesellschaft bewies gestern seine große Klasse.

Wuppertal. Nein, wie eine „Oper im Kirchengewande“ (Hans von Bülow) interpretierte Dirigent Toshiyuki Kamioka Guiseppe Verdis „Messa da Requiem“ von 1874 gestern in der Stadthalle nicht. Das erste Sinfoniekonzert der Saison war gleichzeitig ein Jubiläumskonzert aus Anlass des 200-jährigen Bestehens des Chores der Konzertgesellschaft und des 150-jährigen der Konzertgesellschaft selbst.

Wieder bewies der Chor seine große Klasse, der seit 1994 unter der Leiterin Marieddy Rossetto noch einmal an Qualität zugelegt hat. Leise und eindringlich flüsternd beginnt der Chor die Totenmesse mit dem „Ewige Ruhe gib ihnen, Herr“, bevor die monumentale Vertonung mit gewaltigem Orchester, exponierten Rollen der Solostimmen und anspruchsvollen Chorpartien in den Sätzen der katholischen Totenmesse mit dem angefügten Gebet „Libera me“ (Befreie mich, Herr) ihre Zuhörer in den Bann zieht.

Durchaus textdeutend legt Kamioka die dynamische Gestaltung an und fordert auch im donnernden, mit elementarer Gewalt hereinbrechenden „Dies irae, dies illa“ (Tag des Zornes, Tag der Klage) Deutlichkeit und Präzision. Vier gewaltige Schläge, sausende Streicherskalen, auf- und abwärts rasende Chöre, die wie verzweifelte Hilfeschreie klingen, und wilde Blech- und Schlagzeug- Akzente verkünden als niederschmetternde Apokalypse ein schreckliches Ende. Wären da nicht die um Vergebung bittenden Seelen, die um Gnade und Erlösung flehenden Stimmen.

Die Solisten glänzen mit fülligen, präsenten Stimmen: Kay Stiefermann mit gewohnt profundem und ebenso lyrischem Bariton, Andrew Sritheran mit klarem Tenor, der allzu viele opernhafte Belcanto-Schluchzer vermeidet, Stefanie Iranyi mit angenehmem Mezzosopran, der beweglich durch die Register gleitet, und Karine Babajanyan mit kraftvollem Sopran, der sich über Orchester und Chor behaupten kann. In Terzett- und Quartett-Passagen mischen sich die Stimmen trotz ihrer individuellen Ausprägung bestens.

Neben großartiger Dramatik ist Verdis Requiem eine Messe von melodischer Fülle, die menschliches Leben und Fühlen ausdrucksvoll in Töne fasst.

Das Sanctus eröffnen Trompetenstöße und die feierlich-fröhliche Doppelfuge meistert der Chor vorbildlich. Immer reagiert das Orchester prompt auf die durchdachten Anweisungen des Dirigats und liefert ausgesprochen klangschöne Solopassagen. Am Ende gibt es langes Schweigen, bevor minutenlanger, stehend gespendeter Applaus losbricht.

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