Rubens: Ein Rundgang mit Humor

Gerhard Finckh führte am Freitag 20 Leser durch die große Rubens-Schau.

Wuppertal. Friede, Freude, Frivolität: Wenn Gerhard Finckh von einer Zeit erzählt, in der Glaubenskriege die Menschen entzweiten, während ein Maler — Peter Paul Rubens — diplomatisch versuchte, zwischen verschiedenen Parteien zu vermitteln, spricht er mit der gebotenen Direktheit. Der Leiter des Von der Heydt-Museums steht vor einem Rubens-Werk von 1620 („Die heilige Klara von Assisi“) und zeigt auf die malerische Rückseite einer Dienern, die neben der Heiligen zu sehen ist. „Sie hat einen ziemlich dicken Hintern“, stellt Finckh augenzwinkernd fest und gibt auch gleich einen fachmännischen Hinweis: „Jetzt stellen Sie sich das Ganze mal als Deckengemälde vor.“

20 WZ-Gewinner schmunzeln, denn das Hinterteil, das nicht zu übersehen ist, verfehlt seine Wirkung nicht — schon jetzt, wo es im Von der Heydt-Museum „nur“ als Ölskizze an einer Wand hängt.

Aus der Vorzeichnung war vor fast 400 Jahren ein noch größerer Blickfang entstanden: Wie das Motiv gewirkt haben mag, als es einst in voller Pracht als eines von 39 Deckengemälden in der Jesuitenkirche in Antwerpen zu bewundern war, kann man sich ausmalen. Der Gedanke ist auf jeden Fall reizvoll — wie Finckh, freudig lächelnd, betont. „Rubens war ein geistreicher Unterhalter, der sich auch in der Kirche schon mal einen Scherz erlaubt hat.“

Keine Frage: Nicht nur Peter Paul Rubens (1577-1640) hatte den sprichwörtlichen Schalk im Nacken, auch Gerhard Finckh hat Humor. Und: Bei ihm ist keine Führung wie die andere. Wenn der Direktor höchstpersönlich durch die Rubens-Ausstellung führt, wird Vergangenheit lebendig und Kunst (be)greifbar.

So war am Freitag auch die vierte und letzte Sonderführung mit WZ-Abonnenten ein voller Erfolg: Mit Kompetenz, Charme und Lust zur kultivierten Plauderei hat Finckh an vier Freitagen jeweils 20 Lesern, die eine Führung durch die hochkarätige Sonderschau gewonnen hatten, die Wuppertaler Rubens-Welt erklärt. Jede Führung setzte einen anderen Schwerpunkt, jede faszinierte auf ihre Weise.

Am Freitag knüpfte der Meister der kurzweiligen Kunstvermittlung Daten und Anekdoten erneut so geschickt aneinander, dass die Zeit buchstäblich wie im Flug verging. Fast 90 Minuten lang ging Finckh voran — vom ersten Raum, in dem Rubens-Arkaden einen Hauch Antwerpen nach Elberfeld bringen (zu sehen sind die nachgebauten Fassaden von Rubens’ Wohnhaus und Rubens’Atelier) bis zur großformatigen „Wildschweinjagd“. Dazwischen gibt es viele historisch-politische Bilder, aber auch religiöse Werke aus dem Geist der katholischen Reform zu entdecken.

Was etwa passt besser zur aktuellen Jahreszeit als „Die Anbetung der Heiligen Drei Könige“, die der weltoffene Maler um 1606 auf der Leinwand festhielt? Doch Rubens wäre nicht Rubens, wenn er nach einer Italienreise nicht auch einen ganz besonderen Akzent gesetzt und seine Zeitgenossen überrascht hätte: „Rubens ließ die Szene nicht in einem Stall spielen, sondern in einer antiken Ruine“, erklärt Finckh. „Darin sieht man ganz deutlich den italienischen Einfluss.“

Mit einem Augenzwinkern verrät Finckh zugleich, dass die schnell wachsende Beliebtheit des später weltbekannten Künstlers nicht nur auf dem eigenen Können, sondern — zumindest anfangs — auch auf ganz persönlichen Netzwerken basierte. „Er heiratete Isabella Brant, die Tochter des damaligen Bürgermeisters von Antwerpen. Sein Schwiegervater hatte natürlich beste Kontakte und konnte ihm viele Aufträge vermitteln.“ Die Gunst des Schwiegervaters mag allerdings nicht mehr als eine willkommene Starthilfe gewesen sein: Schnell machte sich Rubens, „der strahlende Malerheld und glänzende Politiker“, einen Namen und beschäftigte bis zu 100 Mitarbeiter.

Wohlhabend, wie Rubens war, konnte er sich getrost den ein oder anderen Scherz leisten. Womit wir wieder beim Hinterteil neben der heiligen Klara sind: Der Barock-Star erhielt nicht nur den Auftrag, die Fassade der Jesuitenkirche in Antwerpen, sondern auch gleich 39 Deckengemälde zu entwerfen. „Leider ist die Kirche im 18. Jahrhundert ausgebrannt“, erklärt Finckh — nicht ohne wissend zu schmunzeln. „Deshalb müssen Sie ja auch ins Von der Heydt-Museum kommen — wir haben zumindest drei Skizzen, die erhalten sind.“

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