Romeo und Julia entwickeln ein neues „Shakespeare-Gefühl“

TiC-Chef Ralf Budde schreibt Talentförderung groß. Damit Liebe und Leid nachvollziehbar sind, besetzt er Romeo und Julia altersgerecht.

Herr Budde, im TiC-Theater ist zum ersten Mal „Romeo und Julia“ und damit nach langer Zeit wieder ein Shakespeare-Klassiker zu sehen. Dabei setzen Sie auf jugendliche Darsteller, die zum Teil erstmals im Rampenlicht stehen. Ist das nicht gewagt?

Ralf Budde: Ja und nein, denn „Romeo und Julia“ ist vielleicht die bekannteste Liebesgeschichte überhaupt, aber sicherlich auch eine der ungewöhnlichsten: Die ganze Handlung spielt sich an nur vier Tagen ab. Romeo und Julia begegnen sich nur viermal lebend, am Ende des Stückes werden wir Zeugen einer bahnbrechenden Liebe, von drei Morden und zwei Selbstmorden. Das alles wird nur verständlich, wenn man sich die Jugend der Hauptfiguren vor Augen führt.

Das heißt?

Budde: Shakespeare hat als Richtwert Julias Alter mit knapp 14 benannt. Jugendliche Begeisterungsfähigkeit, Entschlusskraft und Maßlosigkeit sind es, die die immer atemloser werdende Handlung vorantreiben. Insofern ist es sicherlich ein Wagnis, sich mit jugendlichen Schauspielern an diese schwierigen Texte zu wagen, andererseits sind gerade diese jungen Darsteller im Grunde der Schlüssel zum Stück.

Wie haben Sie die passenden Darsteller gefunden?

Budde: Wir beobachten die Entwicklung unserer Darsteller immer sehr genau. Schließlich zählen die Talentsichtung und -förderung zu unseren Hauptanliegen. Viele kommen schon sehr jung zu uns und erhalten dann erste kleine Aufgaben. Unser „Romeo“ Robert Flanze (15) ist schon als Kind zu uns gekommen und hat bereits viele Rollen gespielt. Lara Sienczak (17) als Julia ist jetzt seit knapp zwei Jahren bei uns und hat sich schnell für größere Aufgaben empfohlen. Für mich waren die beiden sofort das „Traumpaar“ für „Romeo und Julia“, und ich muss sagen, wie diese beiden jungen Leute sich mit Haut und Haaren auf dieses Abenteuer eingelassen haben, das ist schon klasse.

Normalerweise arbeiten Sie mit älteren Schauspielern zusammen. Was nehmen Sie aus den aktuellen Proben mit?

Budde: Die Proben machen unglaublich viel Spaß, auch und gerade mit den jüngeren Darstellern. Natürlich hat es etwas gedauert, bis alle die Texte wirklich verinnerlicht hatten. Aber dann konnte man spüren, wie gerade die jungen Kollegen ihre Begeisterung für das Stück und für Shakespeare entdeckt haben. Denn alles, was an Problemen und Konflikten — auch und gerade mit den Eltern — im Stück beschrieben wird, ist hochaktuell und heutig.

Für viele sind „Romeo und Julia“ das berühmteste Liebespaar der Theatergeschichte. Was unterscheidet Ihre Version von anderen?

Budde: Verstehbarkeit, hoffen wir. Wir haben uns ganz bewusst für eine überarbeitete Version der klassischen Schlegel-Übersetzung entschieden, weil sie Shakespeares literarischer Vorlage am besten gerecht wird. Unser Ziel ist es, den Text so zu vermitteln, dass er für unser Publikum auf Anhieb verstehbar ist, ohne dass man vorher den Schauspielführer gelesen haben muss. Der Zuschauer soll bei uns „einfach so“ das Stück sehen, verstehen und erleben können. Und das wird für viele Besucher sicherlich ein ganz neues „Shakespeare-Gefühl“ sein.

In welchem Rahmen werden sich Romeo und Julia verlieben? Mit anderen Worten: Wie sieht die Bühne aus?

Budde: Modern und zeitgemäß. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts wurde „Romeo und Julia“ in England dadurch neu bekannt, dass es auf einmal in modernen Kostümen gespielt wurde. Die überzeitliche Aussage des Stückes wird dadurch noch greifbarer, zumal die Übertragung vollkommen bruchlos funktioniert. Im Gegenteil: Zwischen modernem Styling und alter Sprache entsteht ein Spannungsfeld, das den Zuschauer auf seine ganz eigene Weise gefangen nehmen soll.

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