Privatsammler erhalten eine Ruhmeshalle

Interview: Das Engagement von Kunstsammlern hat in Wuppertal eine ganz besondere Tradition. Museums-Chef Gerhard Finckh würdigt es mit einer eigenen Ausstellung.

Wuppertal. Herr Finckh, das Von der Heydt-Museum zeigt ab dem 21. Februar "Meisterwerke aus Wuppertals großen Privatsammlungen". Ist die Ausstellung auch so etwas wie eine Liebeserklärung an die Stadt?Gerhard Finckh: Ja, das kann man so sagen. Die Ausstellung soll einen Eindruck vom Reichtum und von der Vielfalt Wuppertaler Sammlungen geben. Und sie zeigt ganz deutlich: Die Geschichte des Museums ist mit einer der Besonderheiten von Wuppertal eng verknüpft - mit dem Engagement privater Sammler für die Kunst. Wie wichtig war und ist dieses Engagement für das Von der Heydt-Museum?Finckh: Das Museum verdankt seine bedeutende Kunstsammlung wesentlich privaten Stiftungen, natürlich vor allem durch die Schenkungen von August und Eduard von der Heydt. In Wuppertaler Privatsammlungen fanden sich schon immer wahre Schätze. Sie geben dem Kunstleben der Stadt wichtige Impulse - bis in die Gegenwart. Womit wir beim Titel sind: "Der expressionistische Impuls" ist bis zum 18. Mai zu spüren. Wie haben Sie die Schätze entdeckt?Finckh: Wir haben die Ausstellung ein Jahr lang vorbereitet. Zuerst haben wir unsere eigene Sammlung durchforstet, dann versucht, die Wuppertaler Privatsammlungen der 20er und 30er Jahre aufzuspüren, dann haben wir geforscht und die Wege einzelner Bilder rekonstruiert. Dabei hat sich herausgestellt: Sie sind in alle Welt verstreut. Manche sind in dritter oder vierter Generation in Privathand, viele sind auch in Museen gelandet. Weshalb liegt der Schwerpunkt auf dem Expressionismus?Finckh: Unsere Schau erinnert an die Aufbruchstimmung, die durch die ersten Ausstellungen der Expressionisten der "Neuen Künstlervereinigung München" 1910 in Elberfeld und Barmen ausgelöst wurde und sich bis in die 20er Jahre fortgesetzt hat. Schon aus den Expressionisten-Ausstellungen, die Richart Reiche im Barmer Kunstverein organisierte, wurden bedeutende Werke von Jawlensky und Marc verkauft und blieben in der Stadt. Wer zählte noch zu den Pionieren?Finckh: Gottlieb Friedrich Reber, seine Sammlung umfasste allein 30 Cézanne-Werke, darunter Cézannes berühmtes Bild "Junge mit roter Weste", das gerade bei dem Züricher Kunstraub aus der Sammlung Bührle gestohlen wurde. Hätte die Bührle-Stiftung das Bild für unsere Ausstellung zur Verfügung gestellt, wäre es jetzt hier und in Sicherheit.

"Es war schon eine gewisse Skepsis da. Es entstand andererseits aber auch ein reger Austausch mit Sammlern und Erben."

Wer hat weitere Anstöße gegeben?Finckh: Carl Ferdinand Holzrichter und Carl Neumann. Wichtige Akzente hat auch Rudolf Ibach als Leiter der Klavierfabrik in Schwelm gesetzt. Zu seiner expressionistischen Sammlung gehörten Werke von Schmidt-Rotluff, Pechstein und Kandinsky. Als Vorsitzender hat er dem Barmer Kunstverein zahlreiche Stiftungen gemacht. Neue Impulse gab es vor allem auch nach 1945, als das Kunstleben wieder erwachte.Finckh: Ja, neben Eduard von der Heydt und Rudolf Ibach war Klaus Gebhard ein Vorbild für die jüngeren Sammler, die sich nach 1945 der Kunst des Expressionismus zuwandten. Gebhard stand vermittelnd zwischen den Sammlergenerationen vor dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg - und hat dem Von der Heydt-Museum herausragende Werte als Schenkung überlassen, darunter Max Beckmanns "Luftakrobaten" und Otto Muellers "Selbstbildnis mit Pentagramm". Wie wird die Schau strukturiert?Finckh: Im Eingangsbereich entsteht eine Ruhmeshalle der Wuppertaler Sammler, dort werden die handelnden Personen vorgestellt, die sich für die moderne, insbesondere die expressionistische Kunst engagiert haben. Daneben gibt es Werkgruppen, also Räume für "Brücke"-Künstler, für Vertreter der "Neuen Künstlervereinigung München", für den "Blauen Reiter" und für große Einzelgänger in der Nachfolge des Expressionismus wie Klee, Delaunay und Beckmann. So kann die Ausstellung einen repräsentativen Eindruck von der Größe und Bedeutung ehemaliger und heutiger Wuppertaler Privatsammlungen geben. Weshalb sortieren Sie die Werke nicht nach den Sammlern, denen sie gehör(t)en?Finckh: Wir strukturieren sie ganz bewusst nach der künstlerischen Entwicklung und nicht nach Sammlungen, das wäre heikel. Wir geben in der Regel auch nicht an, wem die Bilder heute gehören. Wir respektieren und schützen die Privatsphäre. Wie war die Reaktion der Sammler bei Ihrer "Schatzsuche"?Finckh: Diskretion ist in unserem Geschäft ohnehin gefragt, in diesem Fall besonders. Es war schon eine gewisse Skepsis und Zurückhaltung da. Es entstand andererseits aber auch ein reger Austausch mit Sammlern und Erben. Ich kann verstehen, dass man, wenn man wertvolle Bilder im Wohnzimmer hängen hat und sie als Exponate zur Verfügung stellt, seinen Namen nicht genannt haben möchte. Wir wollen ja keine Diebe anlocken - und vielleicht auch nicht das Finanzamt. Aber Besucher wollen Sie sicherlich anlocken. Wie viele Meisterwerke dürfen die Gäste erwarten?Finckh: Rund 200 Exponate. Dabei wollen wir nicht nur zurückschauen, sondern planen schon einen zweiten Ausstellungsteil: Der nächste Schritt wird sein, die Gegenwart, also Sammlungen und Kunstwerke ab 1945, zu erforschen.

Herr Finckh, vielen Dank für das Gespräch.

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