Meret Becker im Wuppertaler Tanztheater Pina Bausch „Pinas Version reißt einem das Herz raus“

Meret Becker geht in Wuppertal auch auf Spurensuche nach ihrer Großmutter.

 Meret Becker.

Meret Becker.

Foto: picture alliance/dpa/Soeren Stache

Meret Becker stammt aus einer berühmten Schauspielerfamilie, ist ein „Theaterkind“. Und doch wird man ihr nicht gerecht, wenn man sie darauf reduziert. Sie ist künstlerisch vielseitig, mindestens ebenso intensiv Musikerin wie Schauspielerin, schreibt, tanzt, ist bekannt aus Film und Fernsehen. Die gebürtige Bremerin wuchs in Berlin auf, fand ihren eigenen Weg zu Brecht und Weill. Nun wirkt sie bei Pina Bausch als Anna I im ersten Teil mit, tritt auch im zweiten Teil auf. Die Proben verlaufen ungewohnt für Meret Becker: Sie genießt die wuselige Arbeit in und mit der Compagnie.

Wie ist die Probenarbeit?

Meret Becker: Es ist wunderschön, es war schon ein großes Hallo beim Wiedersehen, ich durfte ja schon 2001 unter Pina Bausch mitmachen. Einige Tänzer von damals, vor allem Jo Ann Endicott (sie hat jetzt die Probenleitung, Red.) sind noch da. Und so lange es auch her ist, der Körper erinnert sich schnell, ist klug. Jo Ann sagt „mach“ und man macht.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Stephanie Troyak, die die Anna II tanzt?

Meret Becker: Toll. Wir haben uns gerade erst kennengelernt. Es machte einfach „bang“, die Chemie stimmt. Es ist für mich ungewohnt, Lieder in einer Choreographie zu singen, aber es ist eine große Freude, mit ihr in Verbindung zu sein. Ich bin die ganze Zeit bei ihr.

Ihre ersten Berührungspunkte mit Pina Bausch?

Becker: Als Kind mit sechs, sieben Jahren habe ich ein Stück von ihr gesehen, vielleicht war es „Café Müller“. Ich war sehr beeindruckt von der Musik und den Bildern. Das war meine Welt. Und ich fand es spannend, dass Schauspieler tanzten. Weil sie „normal“ angezogen waren, erkannte ich erst später, dass es Tänzer waren.

Wie finden Sie Pina Bauschs Version von „Die sieben Todsünden“?

Becker: Erstaunlich und spannend. Sie schafft sich Raum außerhalb der Musik und zugleich innerhalb, etwa durch rhythmische Schritte, die sie einbaut. Logischerweise konzentriert sich ihre Inszenierung auf Anna II, also die tanzende Anna. Das Stück ist eh sehr emotional, aber Pinas Version reißt einem das Herz raus. Es ist schön, was man mit einer Inszenierung alles erreichen kann.

2001 standen Sie erstmals in „Die sieben Todsünden“ von Pina Bausch auf der Bühne.

Becker: Ich habe damals schon Brecht gesungen. War stolz und glücklich, als der Anruf kam, denn mittlerweile war natürlich bewusst, wer Pina Bausch ist. Es war zudem schön, weil es ein bisschen das Gefühl war, mit der Generation meiner Eltern zu arbeiten.

Haben Sie noch Erinnerungen daran, wie es war?

Becker: Ja, einzelne Bilder: die Lichtburg, das Schauspielhaus, Pina rauchend, Pinas Hände, dann gemeinsam auf der Tournee in Japan.

Wie gefallen Ihnen die Lieder von Brecht und Weill?

Becker: Sehr. Ich mag Lieder, die Lotte Lenya gesungen hat. Lieder über gefallene Frauen. Ich finde Weills Musik genial, weil sie den Ausdruck des Textes genau trifft. Man merkt, dass er ein Schönberg-Schüler war. Und „Die sieben Todsünden“ sind das schönste Brecht-Weill-Werk überhaupt, so kompakt, die großartigen Bilder. Dann das Umdrehen der Moral. Das ist so vielschichtig. Brecht hat eine sensationelle, emanzipierte Frauenrolle geschrieben. Erstaunlich, da er doch Frauen oft benutzt hat.

Was sind Sie mehr, Schauspielerin oder Musikerin?

Becker: Ich bin mit dem Schauspiel aufgewachsen, saß als Kind jedes Wochenende in Vorstellungen oder Proben. Und wenn die Arbeit toll ist, liebe ich das Schauspiel, Film und Theater. Die Musik ist aber mehr meins, sie fasst mich unmittelbar an, ich bin mit meinen Musikern zusammen. Ich schreibe auch Musik. Und ich möchte inszenieren, etwa „Die sieben Todsünden“.

Nehmen Sie auch etwas von Wuppertal mit?

Becker: Ja, ich wohne in einer zauberhaften Wohnung in Barmen, habe dort schon einen tollen Supermarkt gefunden, bin Schwebebahn gefahren. Und ich will etwas über meine Oma (Claire Schlichting, Red.) herausfinden, die gebürtige Elberfelderin war.

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