"Perplex": Absurdes Spiel mit der Realität

„Perplex“ waren die Gäste an der Kluse: Die Bühnen bekennen sich zur (Selbst-)Ironie.

Wuppertal. Wer erst den besserwisserischen Ehemann gibt, der — untätig, aber umso selbstsicherer — auf dem weißen Sofa thront, in der nächsten Sekunde zum trotzigen Kind mutiert, das — wild auf den Teppich trommelnd — am Boden liegt, und sich nur wenige Minuten später als scharfzüngiger Selbstdarsteller in SS-Uniform entpuppt, hat entweder eine Persönlichkeitsstörung oder große schauspielerische Qualitäten.

Für die, die zur letztgenannten Kategorie gehören, hat sich Autor Marius von Mayenburg etwas Passendes ausgedacht: Man nehme vier spielwütige Darsteller, lasse sie eine absurde Situation nach der anderen erleben, gebe dem Ganzen einen treffenden Titel („Perplex“) und würze den grundsätzlich banal wirkenden Szenenreigen mit durchaus bissig-hintersinnigen Seitenhieben auf den Theaterbetrieb — fertig ist der mit allerlei Dialekten durchtränkte Komödienstadl, den Christian von Treskow im Kleinen Schauspielhaus eröffnet hat.

Was der Regisseur seinem Publikum pausenlos serviert, ist in erster Linie ein Fest für Schauspieler: Man kann sich bestens vorstellen, dass die Akteure während der Proben viel Spaß gehabt haben dürfte. 90 Minuten lang setzen sie sich mit unterschiedlichen Arten der Wahrnehmung und nicht zuletzt mit dem eigenen Berufsstand auseinander — mit einem Theater, das sich am Ende selbst auflöst. Das Bühnenbild wird abgebaut, der Regisseur bleibt ein Phantom, die daraus resultierende Frage betrifft auch — ganz real — die Zuschauer: Kann das alles wirklich sein? Gibt es das tatsächlich? Und überhaupt: Was ist im Leben schon realistisch?

Zurück zu den Fakten also: Zwei Urlauber (Juliane Pempelfort, Lutz Wessel) kehren in das gar nicht mehr so vertraute Heim zurück. Dort treffen sie auf ein zweites Paar (Sophie Basse, Holger Kraft), das Pflanzen und Post hüten sollte, den Rückkehrern jedoch jede Privatsphäre nimmt.

Das Duo dreht den Spieß um, spielt sich selbst als Wohnungsbesitzer auf und setzt die unerwünschten Gäste prompt vor die Tür. Von nun an ist nichts, wie es scheint: Das immer wieder anders zusammengewürfelte Quartett wechselt Kostüme, Identitäten, Bedeutungsebenen.

Das ist zunächst irritierend, zwischendurch wirklich witzig, am Ende jedoch zu vorhersehbar. Die Grundidee, vor allem das augenzwinkernde Spiel mit dem eigenen Rollenverständnis („Doch, das steht so im Text!“), hat durchaus Charme, zumal Schauspiel-Chef Christian von Treskow die Farce mit viel Tempo inszeniert. Doch das Stück hat Schwächen. Das Konzept nutzt sich ab, wirkt stellenweise in die Länge gezogen, zu konstruiert und aufgesetzt. Als Zuschauer mag man zwar nicht mit dem Kopf schütteln, sich aber durchaus fragen: Wann geht’s (endlich) weiter?

Eine herrlich-alberne Leichtigkeit ist vor allem im mittleren Teil zu spüren — wenn der Gast einer Kostümparty (Holger Kraft) im Elch-Gewand einen Freund (Lutz Wessel) verführt. Wessel ist ohnehin der Wandlungsfähigste unter den multiplen Persönlichkeiten: Wenn er mit Skiern tanzt, als SS-Mann aufmarschiert oder als gerade wachgeküsster Homosexueller anzüglich die Hüfte kreisen lässt, blitzt einfach „nur“ hemmungslose Spielfreude auf. Daneben würde jeder echte Elch verblassen — oder rot werden.

WZ-Wertung

Stück: Zwei von fünf Punkten

Regie: Vier von fünf Punkten

Bühne: Drei von fünf Punkten

Ensemble: Fünf von fünf Punkten

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