Oper: Abschied mit Wehmut und Leidenschaft

Wuppertaler Bühnen: „Ifigenia in Tauride“ feierte Premiere im Barmer Opernhaus.

Wuppertal. Die letzte Opern-Premiere dieser Spielzeit in Wuppertal kündigt der scheidende Generalintendant der Bühnen Gerd Leo Kuck dem treuen Premieren-Publikum etwas wehmütig an.

Auf eine erfolgreiche Saison kann er zurückblicken und weist darauf hin, dass mit "Ifigenia in Tauride" von Gian Francesco de Majo der Stoff in unterschiedlichen Fassungen zu sehen war: als Schauspiel in der Börse, im Tanztheater von Pina Bausch und nun eben als Oper. Im vergangenen Oktober hatte die Wuppertaler Produktion bereits im Remscheider Teo Otto Theater Premiere.

Im Wuppertaler Haus wirkt das prächtige Bühnenbild von Manfred Kaderk eindrucksvoll: Halbrunde, mit Fresken im griechischen und phönizischen Stil bemalte Mauersegmente lassen sich zu Halbkreisen öffnen und schließen, um Frauengemach, Palast, Garten oder den Tempel der Diana zu bilden.

Das Libretto von Mattia Verazi erweitert den mythologischen Stoff um den Skythen-Herrscher Toante, der der rechtmäßigen Thron-Erbin Tomiri einst die Macht raubte. In einem langen ersten Akt mit ausführlich die Handlung erzählenden Rezitativ-Passagen zum Basso continuo (Cembalo: Boris Brinkmann) entspinnt sich das komplexe Spiel - Kürzungen wären durchaus denkbar gewesen. Die will Regisseur Wolfgang Quetes wohl nicht riskieren, um die musikalische Textur nicht zu gefährden.

Denn de Majos Musik der Vorklassik charakterisiert die Figuren treffend: Banu Böke gibt die empfindsame und edle, der Göttin Diana treu dienende Priesterin Iphigenie mit warm gefärbtem Sopran. Dass sie entschlossen ist, mit mächtigem Beil den Fremden zu köpfen, von dem sie noch nicht weiß, dass er ihr Bruder Orest ist (Cornel Frey mit überzeugender sängerischer und schauspielerischer Darstellung) mag man ihr gar nicht abnehmen. Überhaupt entbehrt die Handlung nicht ironischer Momente inmitten von leidenschaftlichen Duetten. Echte Verzweiflung vermittelt Orest, wenn er sich des Mordes an der Mutter Klytämnestra erinnert.

Der ungehobelte Merodate (solide: Tenor Boris Leisenheimer) soll Tomiri heiraten, würde aber lieber Iphigenie nehmen, während Tomiri die Liebe des Toante nicht erringen kann, der sich ebenfalls zu Iphigenie hingezogen fühlt. Leidenschaftlich und selbstbewusst zeichnet Elena Fink (Sopran) die Prinzessin Tomiri und glänzt mit brillanten Koloraturen und sauberen Spitzentönen in virtuosen Arien. Bassist Thomas Schobert als Toante zeigt nicht die Bühnenpräsenz wie in der Remscheider Aufführung. Er nimmt sich zurück, konturiert seinen Gesang wenig und trifft manchmal die korrekte Tonhöhe nicht.

Ebenso pathetisch wie innig gestalten die Freunde Orest und Pylades (Altistin Miriam Scholz in überzeugender Hosenrolle) ihre Duette. In ihrer Liebe sind die Freunde bereit, für einander zu sterben. Unbefangen bewegt sich Anastasia Krumberg als Iffi in stummer Kinderrolle auf der Bühne. Sie ist Iphigenies "Alter Ego": unbeschwertes Kind, Seele, Gewissen und Geist der toten Mutter.

Der Herrenchor der Bühnen (Einstudierung: Jaume Miranda) agiert professionell als Wächter und Berater des Herrschers. Die Wuppertaler Sinfoniker in nahezu kammermusikalischer Besetzung sind den Sängern unter der korrekten Leitung von Florian Ziemen zuverlässige Partner: Sie decken die Stimmen nicht zu, spielen vollmundig oder transparent und tragen entscheidend dazu bei, die innovative Musik an der Schwelle zur Reformoper schlüssig zu vermitteln.

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