Neuerscheinung: Ein Roman wie ein Gemälde

Wolfgang Hütt, in Barmen geboren, geht auf Zeitreise.

Wuppertal. "Zinnoberrot und Schweinfurter Grün" hat Wolfgang Hütt seinen neuen Roman genannt - und nicht von ungefähr zu Komplementärfarben gegriffen. Angesiedelt im Jahr der März-Revolution 1848, erzählt das Buch die Geschichte des Rahmenmachers Hackländer, der für die Düsseldorfer Maler arbeitet.

Barrikadenkämpfe, Diskussionen über die Rolle der Kunst, widerstreitende Positionen überall: Vor diesem Hintergrund Johannes Hackländer gibt sich unentschieden zwischen dem politischen Engagement und seinemWunsch, sich und seine junge Familie aus aller Gefahr herauszuhalten.

Entstanden ist ein Roman wie ein Genregemälde. Hütt ist Kunsthistoriker, sein Werk von 1964 über die Düsseldorfer Malerschule gilt immer noch als grundlegend. In "Zinnoberrot und Schweinfurter Grün" aber wird er zum Erzähler. Und zwar mit langem Atem.

456 Seiten umfasst der Band. Auch alltägliche Szenen werden sehr detailreich ausgemalt. Und der Erzählton versucht, sich der Zeit anzugleichen. Fachwerk und Dröppelmina, Postkutsche und Eisenbahn, preußische Soldaten und Bürger mit schwarz-rot-goldener Kokarde und die Künstler im gerade gegründeten Verein "Malkasten" - auch als Leser braucht man einen langen Atem angesichts der Überfülle an Details und Material.

Dazu kommt eine Vielzahl historischer Personen, darunter der in Remscheid geborene Maler Johann Peter Hasenclever, dessen Gemälde "Arbeiter und Stadtrat im Jahre 1848" eine zentrale Rolle spielt und der Hackländers Zugführer in der Bürgerwehr ist. Und bei den Landschaftsbeschreibungen glaubt man, die romantische Malerei der Zeit vor sich zu haben.

Hütt tut viel, den Roman an 1848 anzugleichen. Er streut Witze der Zeit ein, legt seinen Figuren Zitate historischer Personen in den Mund. Fast könnte man vergessen, dass der Autor aus dem Hier und Jetzt stammt.

Die Erzählperspektive folgt dem Rahmenmacher. In ihm wird alles gespiegelt. Er ist es, dessen Konflikt den Leser direkt anspricht - und dessen Rückzug ins Private scheitert. Der Text vertritt die Position: Auch wenn man nichts tut, bezieht man Stellung - es gibt kein richtiges Leben im falschen. Eine Botschaft, die ein Diskussionsangebot an den Leser ist.

Die Figur Hackländer hat die meiste charakterliche Tiefenschärfe. Je weiter eine Figur von ihm entfernt ist, um so mehr nimmt deren Tiefe ab. Trotzdem entsteht eine Zeitreise, auf der es viel zu sehen gibt.

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