Neu bei den Bühnen: Judith Jakob vertraut auf Wunder

Die Musical-Expertin ist ein Blickfang – auf und abseits der Bühne. Die „Cabaret“-Darstellerin ist alles andere als eine Traumtänzerin.

Wuppertal. Wie es sich anfühlt, die Hauptrolle in der derzeit erfolgreichsten Produktion der Wuppertaler Bühnen zu spielen? Judith Jakob ist überrascht. Die Musical-Expertin platzt nicht vor Stolz, sondern antwortet ungläubig - mit einer Gegenfrage: "Ist das so?"

Ja, so ist es: Wenn Judith Jakob im knappen Kostüm nicht mit Reizen geizt, lässt das tief blicken. Das Publikum genießt die Einsichten und die Zeitreise durch die wilden 20er Jahre. Daran, dass die gebürtige Düsseldorferin als verruchte Sally mit wasserstoffblonder Perücke, lasziven Gesten und dem nötigen Selbstbewusstsein den Kit-Kat-Club aufmischt, mögen sich die Wuppertaler im Opernhaus kaum satt sehen - "Cabaret" ist ein echter Hit.

Auch Jakob genießt ihre Auftritte in Barmen. Schon zum dritten Mal spielt sie in einer "Cabaret"-Produktion mit. Zweimal war sie ein Kit-Kat-Girl. In Wuppertal hat sie sich nun die Hauptrolle geangelt. Ein echter Traum, wie die 35-Jährige findet. "Die Rolle ist toll. Da ist alles gleichermaßen gefragt: singen, tanzen, schauspielern." Und inmitten der knappen Kostümen gibt es ja auch noch viel Platz für große Gefühle: "Die Geschichte ist spannend, die Zeit ist spannend."

Dass Künstler von ihrer aktuellen Rolle schwärmen, ist kein Wunder. Doch die freischaffende Musical-Darstellerin ist ehrlich genug, um zu betonen, dass nicht jedes Stück, für das sie angefragt wird, ganz oben auf ihrer Wunschliste steht. "Am Ende ist es ja auch ein Brotberuf."

Dass Jakob keine Traumtänzerin ist, merkt man schnell - vielleicht noch schneller, wenn man mit ihr über das Leben abseits der Bühne spricht. "Ich bin kein Mauerblümchen, aber auch kein Premieren-Plauder-Typ", sagt sie.

Was sie mag? Bequeme Kleidung ("Ich muss auf der Bühne hohe Hacken tragen - das reicht"), die Dichterin Mascha Kaléko, die sie in Wuppertal gerne mit einem Lyrik-Abend bekannter machen würde, und ihr liebstes Freiluft-Hobby: das Bogenschießen. "Man muss sich unwahrscheinlich konzentrieren", erklärt sie. Doch die Anspannung lohne sich. Schließlich steckt ein festes Ziel dahinter: "Wenn man einen Luftballon zerschießt, ist das wie beim Kindergeburtstag. Man freut sich einfach tierisch."

Wer jetzt glaubt, dass die Bogenschützin alles minutiös plant, irrt sich allerdings gewaltig. Zu zielgerichtet zu agieren, sei auch nicht gut. Also lebt Jakob nach einem "wundervollen" Motto: "Zerreiß deine Pläne, sei klug und halte dich an Wunder." Mit anderen Worten: "Manchmal entscheidet das Leben anders. Das ist oft die spannendere Variante."

Tänzerin wäre Jakob am liebsten geworden: "Doch dazu bin ich zu faul", sagt sie mit entwaffnender Ehrlichkeit. Deshalb kam es anders: Jakob hat sich an Schauspielschulen beworben, wurde abgelehnt, studierte ein Semester lang Jura und versuchte es erneut - mit Erfolg. Nach der Musical-Ausbildung in der Folkwang Hochschule wirbelte sie im "Mozart"-Musical in Wien über die Bühne, war zwei Jahre lang am Stadttheater Heilbronn engagiert und wählte schließlich die "freie" Variante: Als Musical-Expertin hat sie eine Nische gefunden und sich etabliert.

"Natürlich habe ich zwischendurch immer mal wieder überlegt, ob ich nochmal in ein festes Ensemble möchte", räumt sie ein. "Doch wenn es so weitergeht wie jetzt, bin ich dankbar." Als Gast muss sich die 35-Jährige zwar regelmäßig auf neue Kollegen einstellen. "Ich bekomme aber auch immer einen neuen Horizont. Ich mag diesen erweiterten Radius."

Dazu passt, dass sie sich im Urlaub am liebsten treiben lässt: "In diesem Sommer geht es mit dem VW-Bus durch Frankreich." Erst einmal wird sie aber bis zum 8. Juli als Sally den Kit-Kat-Club in Barmen aufmischen. Und das fühlt sich gut an. "Maybe This Time" singt sie am liebsten. "Und ,Don’t Tell Mama’ macht einfach Spaß." Dem Publikum, aber vor allem auch Judith Jakob.

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