Mitreißender "Tschick": Leben ist mehr als Familienstress

Das Kinder- und Jugendtheater zeigt eine herzerfrischende Inszenierung von Wolfgang Herrndorfs Roman „Tschick“.

Mitreißender "Tschick": Leben ist mehr als Familienstress
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Superlässig ist dieser Tschick: Breitbeinig steht Jonah Beck in der Titelrolle auf der Bühne, die Daumen in den Hosentaschen, jeder Zoll ein Macho. Joshua Gottschalk spielt Maik hingegen als schüchternen, unsicheren Teenager, der sich trotz seiner Größe am liebsten in einer Ecke verkriechen würde.

Das ungleiche Paar begibt sich im Kinder- und Jugendtheater auf eine gemeinsame Reise — durch die Provinz, durch das Leben, in eine dicke Freundschaft.

Katja Leibold-Büchmann hat den Bestseller „Tschick“ des Schriftstellers und Illustrators Wolfgang Herrndorf (1965 — 2013) mit viel Liebe zu den überzeichneten Figuren inszeniert. So bellt der Vater von Maik schlecht gelaunt durch die Edel-Villa, während die Mutter mit leicht schlingerndem Gang die Schnapsflasche ansteuert und schale Lebensweisheiten von sich gibt. Kein Wunder, dass Maik dankbar in den geklauten Lada flüchtet, als Tschick damit vor der Tür steht.

Zwei Sitzklötze stellen bei Laurentiu Tuturuga das Auto dar, eine an ein Wartehäuschen erinnernde Überdachung die Villa. Für die vielen anderen Schauplätze wird kaum etwas verändert. Das ist auch nicht nötig, denn Judith Jaskulla, Barbara Büchmann und Thomas Cronauge machen die Szenen durch ihre Verkleidung, vor allem aber durch ihre Körpersprache lebendig.

Ein harscher, verständnislose Lehrer verwandeln sich im nächsten Augenblick überzeugend in einen halbverrückten alten Mann, der sich noch im Krieg gegen die Russen glaubt, oder in eine esoterische Mutter, die den Nachtisch erst nach einem Quiz herausrückt.

Maik verliebt sich auf der Mülldeponie in das herumstreunende Mädchen Isa, und Tschick outet sich schließlich als schwul. Die von Stefan Leibold ausgesuchte Musik und seine Projektionen helfen, das Lebensgefühl der beiden 13-Jährigen auszudrücken.

Es gibt kein wirkliches Happy End in dieser verrückten Geschichte. Doch eines wird klar: Das Leben hält eindeutig bessere Erfahrungen bereit als Schulalltag und Familienstress. Das hervorragende Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters schafft daraus eine eingängige und mitreißende Inszenierung. Jetzt müssen die Jugendlichen nur noch kommen.

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