Wuppertaler Autorin Ein Buch gegen die Angst vor dem Fremden

Marina Jenkner legt ihren ersten Roman vor. „Die (Un-)Willkommenen“ findet Parallelen von Flüchtlingsschicksalen 1945 und 2015.

 Marina Jenkner zeigt ihr neues Buch.

Marina Jenkner zeigt ihr neues Buch.

Foto: Fries, Stefan (fri)

In erster Linie will sie Geschichten erzählen. Ob mehr mit Worten oder mehr mit Bildern, ist zweitrangig. Fügt sich auch oft ineinander. Und so hat Marina Jenkner Germanistik, Kunst- und Designwissenschaften und Architektur studiert, hat Kurzgeschichten und Lyrik geschrieben, hat Filme gedreht und Lesungen performt. Hat zwei Literaturpreise gewonnen und kümmert sich seit ein paar Jahren um die Literaturszene der Stadt.

Legt jetzt ihren ersten Roman vor, weil sie jetzt die richtige Geschichte für dieses Format gefunden hat. „Die (Un-)Willkommenen“ beschäftigt sich mit den Themen Flucht und Angst vor dem Fremden, die die Autorin mit Hilfe einer syrischen Familie und ihrer eigenen Vorfahren erzählt. Im Frühjahr erscheint das teilweise autobiographische Buch im Frankfurter Größenwahn Verlag.

Parallelen zu den
Erlebnissen ihrer Vorfahren

Über ihre Großeltern hatte Jenkner schon die eine oder andere Kurzgeschichte geschrieben. Als dann 2015 viele Flüchtlinge aus dem kriegsgeplagten Syrien nach Wuppertal kamen, wurde sie aktiv, kümmerte sich um eine Familie. Sie bemerkte immer wieder Parallelen zu den Erlebnissen ihrer Vorfahren, die im Zweiten Weltkrieg einerseits vertrieben worden waren, andererseits heimatlos gewordene Menschen auf ihrem Bauernhof aufgenommen hatten. „Ich musste die Flüchtlingsschicksale einfach abwechselnd erzählen, so dass man sie vergleichen kann“, beschreibt sie ihr Vorgehen, das die syrische Familie in Wuppertal chronologisch begleitet und da, wo sich thematische Bezüge ergeben, Momentaufnahmen aus dem Leben ihrer Vorfahren einfließen lässt.

So gewährt in einem Kapitel Reyhan, die stets die schwarze Abaya (islamisches Überkleid, häufig mit Kopftuch) trägt, einen Blick in ihren überraschend farbenfrohen Kleiderschrank, folgt darauf eine Beschreibung von Großmutter Christel mit ihren ihren hochgeschlossenen Kleidern, die viel mehr als den Körper verbargen. Das Buch sei „ein spannendes Fluchtmosaik aus vielen Versatzstücken“, die sich teilweise erst beim Schreiben ergaben, sagt Jenkner.

Erste Notizen entstanden Ende 2015, anderthalb Jahre später war das zirka 250 Seiten starke Werk fertig, bei der Recherche halfen ein Film über ihre Großmutter, den sie selbst gedreht hatte, und die Ahnenforschung ihres Großvaters. Auf dem Buchdeckel ist ein Foto von der fünfjährigen Christel zu sehen, das sie 1926, mit Kleidchen und Schleife im Haar hinter ihrem Puppenwagen stehend, zeigt.

Und natürlich die syrische Familie, die heute noch in Wuppertal lebt, nicht identifiziert oder gar beispielhaft begriffen werden will. Der das Buch aber wichtig sei, weil so auf die Probleme der Flüchtlinge, besonders bei der Arbeitssuche, aufmerksam gemacht werde.

Nicht Abgrenzung, sondern
Gemeinsamkeiten

„Die (Un-)Willkommenen“ ist ein Roman, der sich zum einen in einen noch immer tabuisierten Bereich vorwagt. „Im Dritten Reich ist so viel Schlimmes passiert, dass es schwierig ist, das Leid der deutschen Bevölkerung aufzuarbeiten“, sagt Jenkner. Zum anderen ist er ein hochaktuelles Buch, da es die Flüchtlingsdebatte aufgreift, hier aber den Blick nicht auf die Abgrenzung lenkt, die die Willkommenskultur des Jahres 2015 längst abgelöst hat, sondern Gemeinsamkeiten aufzeigt.

„Ich habe mich stark mit dem Islam auseinandergesetzt und viel mit der syrischen Familie über Politik und Religion gesprochen. Dabei haben wir zum Beispiel entdeckt, dass viele Geschichten im Alten Testament und im Koran gleich sind oder dass es das Märchen ‚Rotkäppchen und der Wolf’ bei ihnen als ‚Leyla und der Wolf’ gibt.“ Sie habe erfahren, dass plötzlich alles gar nicht mehr so fremd oder weit weg war. Eine zentrale Erkenntnis, die auch ihr Roman den Lesern vermitteln soll.

Am 21. März wird das Buch auf der Leipziger Messe vorgestellt, am 28. März folgt die Premierenlesung auf Einladung der Gedok in der Zentralbibliothek in Wuppertal. Weitere Lesungen werden gerade vereinbart. Neue Projekte folgen. Romanideen hat Jenkner genug. Außerdem gibt es noch ihr Engagement als „Arme Poetin“.

In den ehemaligen Büroräumen der Freiwilligen Feuerwehr Vohwinkel in einem alten Fachwerkhaus und ehemaligen Büro der Freiwilligen Feuerwehr an der Spitzwegstraße inszeniert Marina Jenker einmal im Monat kreative Lesungsperformances mit Bettdecke und Regenschirm. Am 27. Februar steht die nächste an.

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