Lutz Wessel und eine feuchtfröhliche Zugfahrt

Wuppertal. „Es wird kein folkloristisch-sowjetischer Abend.“ Was wird es dann? Lutz Wessel überlegt. „Das Buch ist ein zynischer, ironischer Blick auf den russischen Alltag“, sagt der Schauspieler.

Das Ensemblemitglied der Wuppertaler Bühnen, das am Dienstag und Mittwoch (22. und 23. Mai) bei einer szenischen Lesung im Kleinen Schauspielhaus zu erleben ist, kann es kaum erwarten, „Moskau — Petuschki“ in Elberfeld bekannt(er) zu machen. Was ihn an Wenedikt Jerofejews Reisepoem so fasziniert? „Die mehrschichtige Sprache.“ Mit anderen Worten: „Man muss den Text einfach hören.“

Genau das ist am Dienstag und Mittwoch ab jeweils 20 Uhr möglich: Wessel stellt „Moskau — Petuschki“ zusammen mit drei Kollegen vor. Andreas Petri (Hamburg), Artur Andreasjan (Moskau) und Friederike Pöschel (Berlin) nehmen Kurs auf die Kluse, um eine feuchtfröhliche Zugreise zu thematisieren. Denn das ist das Thema: Jerofejews Beschreibung einer Bahnfahrt gehört zu den modernen Klassikern der russischen Literatur. Erzählt wird aus dem Leben eines Alkoholikers: Wenedikt („Venja“) Jerofejew nimmt einen Vorortzug, um seiner Geliebten näherzukommen, die in der kleinen Stadt Petuschki lebt. Der Wodka fährt mit: Je länger der Ich-Erzähler im Zug sitzt, umso betrunkener wird er — damit werden auch die Schilderungen immer surrealistischer.

Wessel hingegen wollte sich auf die Lesung möglichst realistisch vorbereiten — und hat den Weg nach Russland deshalb nicht gescheut. Die beschriebene Strecke ist er selbst gefahren. Überhaupt reist er gerne gen Osten: „Die weiteste Tour führte zum Baikalsee.“ Versteht er denn Russisch? Wessel schüttelt den Kopf. „Aber ich kann die kyrillischen Schriftzeichen lesen — die habe ich mir selbst beigebracht. Das hilft ungemein.“

In Wuppertal soll sich sein Faible für Russland nicht zuletzt in flüssiger Form zeigen: „Sonst wird kein Wodka ausgeschenkt, aber bei unseren Lesungen wird es im Kleinen Schauspielhaus welchen geben. Dafür werden wir sorgen“, erklärt Wessel mit einem Augenzwinkern. „Wir müssen die russische Literatur ja entsprechend feiern — auch im Buch gibt es ständig einen Grund, um anzustoßen.“

Seit der Spielzeit 2009/2010 gehört der gebürtige Hamburger zum Ensemble der Wuppertaler Bühnen. Kaum hatte er das feste Engagement angetreten, nahm die Spardiskussion Fahrt auf. „Das war natürlich ein Schlag ins Gesicht“, betont Wessel. „Aber wir haben gekämpft, und vielleicht hat der Kampf am Ende ja doch etwas ausgelöst.“ thö

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