Lutz-Werner Hesse und der Sisley-Schnappschuss

Wuppertal. Sein Oeuvre umfasst 884 Gemälde — nahezu ausschließlich Landschaften, die Alfred Sisley in der Umgebung von Paris malte. Ein Bild gefällt Lutz-Werner Hesse ganz besonders: Eine Brücke („Bridge at Villeneuve-la-Garenne“, 1872) hat es dem Direktor der Wuppertaler Musikhochschule angetan — „weil das Bild den Übergang von der dunklen Malerei der Schule von Barbizon zu der vom Licht durchfluteten, hellen Welt des Impressionismus so besonders einprägsam illustriert“.

1839 geboren, studierte Sisley 1857 in London Wirtschaftswissenschaften und bewunderte dort das Werk von William Turner und John Constable. Von 1860 bis 1863 studierte er in Paris im Atelier des Schweizer Malers Charles Gleyre, wo er mit Monet und Renoir Freundschaft schloss.

Da seine Gemälde vom offiziellen Salon mehrfach zurückgewiesen wurden, nahm er 1874 an der ersten Impressionisten-Ausstellung teil. Auch in den folgenden Jahren war er häufig mit Monet, Renoir, Pissarro und Degas zusammen und stellte mit den Impressionisten aus.

Claude Monet und Alfred Sisley malten nicht nur häufig zusammen, sie wählten oft auch dasselbe Motiv. Dabei zeigt speziell das Brückenbild von 1872, wodurch sich Sisley auszeichnete und von seinen Malerfreunden unterscheiden sollte: Er war der Feine, der Zarte, der jedes Stückchen Wirklichkeit mit seinem Blick durchdrungen hat, sie kompromisslos-ehrlich wiedergeben wollte — als ein lebendiges Schauspiel von Farb- und Lichtreflexionen.

Alfred Sisley hielt den momentanen Eindruck fest, wie ihn der Lyriker empfindet — ohne überschwängliches Pathos, ohne den Effekt zu suchen. Ihn faszinierte das Licht, das die jeweils einzigartige Stimmung einer Landschaft zu einer bestimmten Tages- oder Jahreszeit hervorbringt. Sisley zeigt, wie kostbar und wertvoll jeder Moment des Lebens ist. Gleichzeitig ist aber auch eine gewisse Melancholie spürbar: Wie das Wasser, wie die Wolken ziehen, so ist auch das Leben wechselhaft und zieht vorbei.

Lutz-Werner Hesse sieht es so: „Faszinierend ist, wie sorgsam das Bild komponiert ist und zugleich wie eine Momentaufnahme — wie ein Schnappschuss — wirkt.“

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