Londoner Philharmoniker: Schwelgen in Melodie und Rhythmus

Die Londoner Philharmoniker und der US-Violinist Joshua Bell reißen das Publikum zu Bravo-Rufen hin.

Wuppertal. Im dritten Konzert der Reihe „Johannisberg International“ ist Joshua Bell der Solist bei den Londoner Philharmonikern im ersten Violinkonzert g-Moll von Max Bruch. Der bekannte Name lockt zahlreiche Hörer, so dass der große Stadthallen-Saal gut gefüllt ist. Und jeder wird Gutes mit nach Hause nehmen: Etwa die machtvolle Musik Schostakowitschs von 1954 in seiner Festlichen Ouvertüre, voll drängender Eile, heroischem Gestus und aggressiver Diktion. Bei Schostakowitsch weiß man nie: Startet die Revolution oder huldigt er dem sozialistischen Realismus?

Jedenfalls leitet Vasily Petrenko ein präzise aufspielendes Orchester punktgenau mit der unbestechlichen Rechten und der sensibel die Dynamik anweisenden Linken. Im Ohr bleibt natürlich auch Max Bruchs bekannte Musik. Selten hat man das Violinkonzert so makellos und hochmusikalisch interpretiert gehört. Der 44-jährige US-Violinist Bell spürt mit jugendlicher Verve der spätromantischen Musik nach.

Mit dem ganzen Körper wiegt er sich, wirft seine Phrasen dem Orchester wie einen Spielball zu. Das lässt dem Solisten alle Freiheiten. Gespannt wie ein Bogen vor dem Abschuss gestaltet er das eröffnende, kadenzartige „Allegro“, lässt seine zauberhafte Stradivari mit silbrig-schlankem Klang lustvoll singen im eingängigen „Adagio“ — ein Satz, der wie ein einziges entspanntes Ausatmen daher kommt. Wie aus dem Nichts steigt die sehnsuchtsvolle Melodie auf, steigert sich genießerisch und flaut bis zum Pianissimo ab.

Im Finale mit ungarischem Kolorit schwelgen die Musiker in Melodie und Rhythmus und begeistern mit Virtuosität und Leichtigkeit. Zugabe des Solisten: Die perfekt gespielte Ballade von Eugène Ysaye mit ihren halsbrecherischen geigerischen Schwierigkeiten. Sie reißt das Publikum zu Bravo-Rufen hin. Tschaikowskys Programm-Symphonie „Manfred“ in vier Bildern nach dem Gedicht von Lord Byron beschließt das bemerkenswerte Konzert: Mit dramatisch schweren Orchester-Schritten irrt der Held in den Bergen umher. Abwärtsseufzer drücken Schmerz aus. Die Londoner Musiker machen Tschaikowskys Musik körperlich erlebbar, lassen Wasserfälle plätschern und tropfen, malen seelische Zerrissenheit und friedliches Landleben. Hymnische Orgelklänge besiegeln im leise verklingenden Schluss Manfreds Tod.

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