Literatur-Biennale: Schwedische Anekdoten von Lars Gustafsson

Der Autor von Gedichten und Romanen unterhält das Publikum in der Immanuelskirche mit Witz und Charme.

Literatur-Biennale: Schwedische Anekdoten von Lars Gustafsson
Foto: Gerhard Bartsch

Wuppertal. „Gedichte sind wie Fische: Sie kommen oder sie kommen nicht.“ Lars Gustafsson hat das oft genug erfahren. Der Schwede, gerade 78 Jahre alt geworden, gilt in seinem Heimatland als Universalschriftsteller, schreibt Romane, Essays und Lyrik. Im Rahmen der Literatur-Biennale ist er am Samstagabend zu Gespräch und Lesung in die voll besetzte Immanuelskirche gekommen. Zur Freude des Publikums spricht der alte Herr ein bedächtiges Deutsch mit ebenso spontanem wie präzisem Witz: „Entschuldigung, mein Hörgerät fängt an, sich einzumischen.“

Lars Gustafsson hat ein spannendes Leben geführt und ist deshalb ein würdiger, ein wunderbarer Schlussgast der zweiten Wuppertaler Literatur-Biennale mit dem Titel „Unterwegs nach Europa“. Er erzählt munter von seinem Philosophie-Studium in Oxford und den frühen 70er Jahren in Berlin, als er mit Günter Grass, Max Frisch, Uwe Johnson und Hans Magnus Enzensberger nachmittags in der legendären Kneipe „Bundeseck“ saß und hin und wieder Pflichtbesuche bei Wolf Biermann im Osten absolvierte: „Als Schwede sollte man das damals tun.“ Doch man lasse sich von den heiteren Anekdoten des zierlichen Herrn nicht täuschen: Er behält das Heft stets in der Hand. Die Journalistin Maike Albath, die den Abend moderiert, stellt auch die ein oder andere private Frage. Gustafsson lässt sie meist freundlich an sich abgleiten und erzählt weiter, was ihn bei seiner Schreibarbeit bewegt, etwa die Erfahrung aus 23 Dozenten-Jahren an der University of Texas: „Wenn man etwas lernen will, muss man unterrichten.“

So wenig er sich im Gespräch einengen lässt, so wenig lässt er sich in seinen Büchern von der Wirklichkeit begrenzen. Szenen kippen ins Absurde und genauso schnell wieder zurück. So taucht in dem Roman „Sigismund“ über das Leben im Berlin der 70er Jahre in der verkehrsumtosten Wohnung des Protagonisten unversehens der schwedisch-polnische König Sigismund III. (1566-1632) auf. Die Schauspielerin Mechthild Großmann liest diesen wie die anderen Ausschnitte mit fein dosierter Verve, die das Melancholische gleichberechtigt neben das Komische und Bedrohliche stellt.

Die charmante Selbstironie ist nur eine Seite des Schriftstellers. Er hat ein ausgeprägtes Interesse an Naturwissenschaft und Technik. Grundthema seiner Schriften ist die immer wieder schmerzliche Erkenntnis der eigenen Endlichkeit: „Physikalisch vergeht nicht die Zeit, sondern wir vergehen. Dagegen versuchen wir uns zu wehren.“ Eine Lösung gebe es für diese Frage wohl nicht, meint er. Aber mit Lars Gustafsson ist es ein besonderes Vergnügen, sie immer wieder neu zu stellen.

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