Literarische Revue: Selbst denken ist der höchste Mut

Die literarische Revue „Drei Frauen in Deutschland“ bietet einen besonderen Abend im Opernhaus, der noch lange nachhallen dürfte.

Literarische Revue: Selbst denken ist der höchste Mut
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Wuppertal. „Du verlierst nur, was du nicht wagst.“ Ein Satz, drei Frauen, die ihn nacheinander sprechen — jede mit ihrer eigenen Intensität, alle drei vereint in der Aussage. Die bekannten Schauspielerinnen Ann-Kathrin Kramer, Karoline Eichhorn und Gesine Cukrowski trafen sich am Donnerstag auf der Bühne des Wuppertaler Opernhauses zur literarischen Revue „Drei Frauen in Deutschland“, der den Schriftstellerinnen Bettina von Arnim (1785 bis 1859), Else Lasker-Schüler (1869 bis 1945) und Erika Mann (1905 bis 1969) gewidmet ist. Ein besonderer Abend, der begeisterte, lang anhaltenden Applaus erntete und nachhallen dürfte.

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Die Bühne bleibt dunkel, ins spärliche Licht wird nur getaucht, wer vorliest. Nichts soll die Konzentration aufs Wesentliche stören. Im Wechsel werden Originalzitate aus einzelnen Lebensphasen vorgetragen, die durch biografische Angaben und zeithistorische Informationen ergänzt und so verständlicher werden.

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Das Vorhaben des Stücks von Martin Mühleis: Knapp 200 Jahre Geschichte aus dem weiblichen Blickwinkel erzählen. Eine Art Wiedergutmachung, die die Leistungen der Frauen anerkennt, und erstaunlich aktuell ist, wenn es um Themen wie Emanzipation oder Demokratie geht.

Von Arnim, Lasker-Schüler und Mann leben in verschiedenen Zeiten und wollen doch alle selbstbestimmt leben, mit allen Risiken und Widrigkeiten. Da ist Bettina, von Ann-Kathrin Kramer gefühlvoll, nachdenklich und bisweilen melancholisch angelegt. Sie entstammt einer etablierten deutsch-italienischen Familie, gebärt ihrem Mann sieben Kinder (die sie durchaus modern, heißt ohne Zwang zur Freiheit, erziehen wollte) und blüht erst nach dessen frühem Tod auf: „Oh Sklavenzeit, in der ich geboren bin“, schreibt sie und beschließt, sich nicht mehr von dem abbringen zu lassen, was sie für richtig hält. Sie engagiert sich karitativ, veröffentlicht — wider alle Behinderungsversuche der eigenen Familie — ein Goethe- und ein sozialkritisches Buch, das sie zum Hoffnungsträger der aufbrechenden Jugend ihrer Zeit macht. Ihre zeitlos bedeutsame Erkenntnis: „Selbstdenken ist der höchste Mut. Wer wagt, selbst zu denken, der wird auch selbst handeln.“

„Wer die moderne Frauenlyrik kennenlernen will, der lese Else Lasker-Schüler“, schwärmt ein Zeitgenosse. Schon früh erfährt die gebürtige Wuppertalerin Anerkennung, wird für ihre Gedichte ausgezeichnet. Und doch verläuft der Lebensweg der Tochter eines jüdischen Privatbankiers dramatisch. Nach zwei Ehen und dem nie verschmerzten Tod des Sohnes, stirbt sie, von den Nazis verfolgt, völlig verarmt in Palästina. „Es pocht eine Sehnsucht an die Welt, an der wir streben müssen“, stößt Karoline Eichhorn jedes einzelne Wort heraus, ihr Ton ist klagend, verzweifelt: „Ich bin so unglücklich und zerfetzt.“

Gesine Cukrowskis Erika Mann ist kraftvoll, energisch, bisweilen kämpferisch angelegt. Am Anfang ist sie noch verwöhnte Promitochter aus dem Hause des Literatur-Nobelpreisträgers Thomas Mann, die nicht weiß, was sie aus ihrem Leben machen soll. Im Dritten Reich reift sie zur politisch engagierten Kabarettistin der „Pfeffermühle“, radikalen Demokratin und Kriegsreporterin, die gegen die Nazis schreibt. Auch sie erleidet Verluste, etwa den Freitod des geliebten Bruders Klaus, auch sie emanzipiert sich, kämpft und schreibt — wie Arnim und Lasker-Schüler — Geschichte.

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