Kurrende: Zwischen Aufruhr und Meditation

Biennale-Konzert: Sänger und Instrumentalisten begeisterten in der Unterbarmer Hauptkirche.

Wuppertal. Es war eine eindrucksvolle Mischung, die die Wuppertaler Kurrende am Samstagabend zusammen mit verschiedenen Instrumental-Ensembles unter dem Titel "Die Jakobsleiter" in der Unterbarmer Hauptkirche darbot.

Alte Gesänge aus dem 9. bis 12. Jahrhundert wechselten sich ab mit Werken der vergangenen 30 Jahre. Dazu gesellten sich im Rahmen der Bergischen Biennale für Neue Musik das neu gegründete Ensemble Etcetera aus Laien mit Liebe zur neuen Musik (Leitung: Karola Pasquay), ein Ensemble aus Schülern des Gymnasiums Am Kothen (Leitung: Marie Luise Peters) und das Schlagart-Ensemble der Bergischen Musikschule (Leitung: Uwe Fischer-Rosier) und Wolfgang Kläsener an der Orgel.

Was von diesen unterschiedlichen Ensembles verlangt und in großer Einigkeit stimmungsvoll hervorgebracht wird, lässt sich nicht immer in Noten notieren. So gleicht beispielsweise die Partitur zu "Styx" von Anestis Logothetis (1921-1994) mehr einer Zeichnung mit ihren dickeren und dünneren Strichen und Punkten, die sich in einem breiten Band das Blatt entlang winden. Mit einem geballten, fast gewalttätigen Klang steigt das Ensemble ein - und wird allmählich leiser, während sich sirrende Geräusche der Schlagzeuger am Gong herausschälen.

Der Chor singt lange, dunkle Klänge, überlegt mit einzelnen Klangaktionen: explosive Laute, Seufzen. Die Streicher agieren ähnlich, entweder mit langen Tönen - teils fahl gekratzt oder mit kleinen Melodien.

"Styx" soll einen griechischen Fluss abbilden, der mit einem Wasserfall 200 Meter in die Tiefe fällt und dann in einer Höhle verschwindet. Tatsächlich erinnert die Musik mit ihrem Ausbruch und dann ruhigem Dahinfließen, aber auch einzelnen Wirbeln und Spitzen an solch ein Gewässer.

Die meisten der vorgetragenen Werke haben einen meditativen, ruhigen Charakter, der gut zu den gregorianischen Gesängen und der frühen Mehrstimmigkeit passt. Die Kurrende, insbesondere ihr häufig einzeln agierender Männerchor, präsentiert sich mit gewohnter Präzision in Klang, Rhythmik und Dynamik. Aufmerksam und mit schön fokussierten Stimmen folgen sie ihrem Dirigenten Martin Lehmann.

Sehr deutlich ist die Sprache zu verstehen, selbst das Englisch in dem eindrucksvollen "Warning to the rich" des Schweden Thomas Jennefelt (Jahrgang 1954). Mit leisem Summen und dann Flüstern beginnt das Stück über die Reichen, die heulen sollen über ihr zukünftiges Elend. Dann steigert sich der Chor langsam über Sprechen ins Schreien, um nach einem Bruch erneut melodisch einzusteigen. Am Ende gibt es reichlich Applaus in der voll besetzten Kirche, Blumen für die Instrumentalisten und Gummibärchen für die jungen Sänger.

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