Königliches Ränkespiel im Opernhaus

Saison-Start im Schauspiel: Christian von Treskow setzt auf „Maria Stuart“. Ein großer Abend mit kleinen Schönheitsfehlern.

Wuppertal. Wer ist die wahre Königin? Maria Stuart oder Elisabeth I.? Hanna Werth oder Juliane Pempelfort? Im ausverkauften Opernhaus dürften sich die Geister scheiden. Eines ist nach drei packenden Stunden allerdings klar: Die Wuppertaler Bühnen haben zwei Königinnen der Herzen ins Rennen um die Krone geschickt: Hanna Werth (Maria) und Juliane Pempelfort (Elisabeth) sind die Idealbesetzung für einen tragischen Stoff, den Christian von Treskow zur Chefsache erklärt und mit modernen Mitteln auf die Bühne bringt, ohne den klassischen Kern zu übertünchen.

Besser könnte sich die Spielzeit-Eröffnung kaum abspielen: Mit starkem, rhythmischen Applaus feiert das demonstrativ aufgestandene Premierenpublikum am Samstag den Schauspiel-Intendanten und sein großartiges Ensemble. Aus gutem Grund: Der Wuppertaler Blick auf „Maria Stuart“ ist nicht nur, aber vor allem Schulklassen zu empfehlen, die die Gretchen-Frage stellen: Was hat uns Friedrich Schiller heute noch zu sagen?

Von Treskow lässt erfreulicherweise Schillers poetisch-pathetische Sprache zur Geltung kommen, mit der sich die Figuren selbst entlarven. Gleichzeitig setzt er auf Projektionen (Filmproduktion Siegersbusch), die sanfte Hinweise auf die harte Realität sind. Bilder von Aufmärschen, Bombeneinschlägen und Glaubenskriegen sind zu erkennen. Sie zeigen, dass der Diskurs um den Freiheitsbegriff nach wie vor brennend aktuell ist.

Die Projektionen, die aus der weißen, schräg nach oben laufenden Bühne wahlweise einen Kerker, einen Tunnel oder eine Kuppel der Macht machen, sind wohldosiert eingesetzt, am Ende allerdings „weichgespült“, wenn die Aufführung kurzzeitig zu einem Konzert gerät. Zwar singen Markus Haase (als Prediger Melvil) und Hanna Werth so traumschön, dass ihr Duett jede Tragik vergessen lässt. Doch Haases Solo-Auftritte zuvor sind entbehrlich — auch wenn er den Rocker mit E-Gitarre stimmungsvoll und zurückgenommen gibt. Die musikalischen Zwischensequenzen wirken wie Werbepausen, unterstützt von Bildern, die jeden Videoclip krönen könnten. Auf der Schauspiel-Bühne sorgen sie für Verschnaufpausen, nehmen dem Krimi jedoch einen Teil der Dramatik und stoppen den Zauber intimer Momente.

Auch wenn sich das Trauerspiel am Ende etwas zieht: Der Abend fesselt schon deshalb, weil sich zwei starke Frauen gegenüberstehen. Die Königsdisziplin, eine klassische Titelfigur zu spielen, meistert Werth mit Bravour. Zunächst ist ihre Maria vor allem trotzig, später unterwirft sie sich nur scheinbar, am Ende findet sie ihren Stolz vollends zurück — das sind auch Werths beste Auftritte. Pempelfort wiederum, die im Opernhaus schon viele starke Auftritte hatte, spielt ihre wohl beste Rolle in Wuppertal: Königin Elisabeth I. ist nachvollziehbar hin- und hergerissen. Die Britin will ihre Macht erhalten, nimmt Opfer in Kauf, zaudert aber dennoch, weil sie — privat — nicht auf ihr Herz hören darf. Zu guter Letzt möchte sie ihre Widersacherin aus Schottland loswerden, sich aber selbst nicht die Hände schmutzig machen.

Im perfiden Spiel um Treue und Täuschung, Ehrgeiz und Eitelkeit steuert jeder seinen Teil bei — nicht zuletzt das kühl kalkulierende Berater-Trio. Marco Wohlwend (Graf von Leicester) agiert immer überzeugender. Die sonore Stimme von Andreas Ramstein (Graf von Shrewsbury) erfüllt von Beginn an eindringlich den Saal, Bernhard Majcen (Baron von Burleigh) ist ein Königinnentreuer par excellence.

Auch Heisam Abbas (Mortimer) und Jakob Walser — in einer Doppelrolle als Staatsdiener — treffen den Ton der Schiller’schen Sprache exzellent. Und Maria könnte man keine treuere Amme wünschen als Hanna, der Anne-Catherine Studer im Netz von Heuchelei, Misstrauen und Lügen ein herzerweichend menschliches Gesicht verleiht. Regie: n n n n n Ensemble: n n n n n Kostüme: n n n n n Bühne/Videos: n n n n n

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