Wuppertaler Kultur Juwelen romantischer Chormusik

Kantorei Barmen-Gemarke bot einen abwechslungsreichen Ausklang ihrer Saison.

 Die Kantorei Barmen-Gemarke spielte sommerliche Chormusik im Kulturzentrum Immanuelskirche.

Die Kantorei Barmen-Gemarke spielte sommerliche Chormusik im Kulturzentrum Immanuelskirche.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Was wäre, wenn sich Jan Michael Horstmann in Wuppertal nicht für Ulrich Leyendecker einsetzen würde? Weltweit ist der am 29. November vergangenen Jahres überraschend verstorbene Komponist bekannt. Nur hier, wo er am 29. Januar 1946 geboren wurde, bei Ingo Schmitt seinen ersten Kompositionsunterricht erhielt, 1987 den Von-der-Heydt-Preis erhielt, wird nicht über ihn geredet? Jedenfalls werden in hiesigen Konzerten im Gegensatz zu anderen Kulturstädten seine Opera in der letzten Zeit gar nicht aufgeführt. Horstmann allerdings, der die Stadt bald wieder verlässt und als Klavierbegleiter der Kantorei Barmen-Gemarke für ihr Saisonabschlusskonzert engagiert war, setzte ein Frühwerk des renommierten Tonkünstlers im Kulturzentrum Immanuel aufs Programm. Damit sorgte er neben kleinen anderen kurzen Werke des letzten Jahrhunderts für einen gehaltvollen Gegenpol zu den romantischen Chorwerken.

Zunächst, bis 1965, war Leyendecker Privatschüler bei Schmitt. Der spätere Gründungsdekan des Standorts Wuppertal der Hochschule für Musik und Tanz Köln ließ ihn „jede Note einzeln begründen“, die er zu Papier gebracht hatte. Diese Methode ist die klassische Schule der kompositorischen Verantwortlichkeit, die Leyendecker nachhaltig prägte. Seine „Veränderungen über einen Klang für Klavier vierhändig“ entstanden anno 1968, während seines Musikstudiums in Köln in der Kompositionsklasse Rudolf Petzolds. Bei diesem Stück ist eindeutig seine unverwechselbare Tonsprache offenkundig, die sich jenseits von offenen Formen auf Basis einer Grundsubstanz unter anderem in Metamorphosen vollzieht. Im vorliegenden Fall ist es ein Klang, der sich reich gegliedert entfaltend verwandelt.

Frühwerke, die Zeit bis etwa 1956, finden sich auch in György Ligetis Oeuvre, die selten gespielt werden. In diesen Jahren ab 1938 war sein späterer Personalstil noch nicht hundertprozentig erkennbar, da der berühmte Ungar stilistisch sehr unterschiedliche Kompositionen schrieb, darunter etliche im Stile Béla Bartóks oder die bei diesem Konzert präsentierte experimentell ausgerichtete Szonatina. Diese und vier weitere dargebotenen Stücke für Klavier zu vier Händen, die wie bei Leyendeckers Werk in seiner Studentenzeit zwischen 1942 und 1950 entstanden sind Exempel dieses Zeitabschnitts.

Beide Konzertteile waren Glanzpunkte des Abends, die Ingrid Richter und Horstmann beeindruckend homogen aufführten und dabei sämtliche kompositorischen Strukturen tief ausgelotet klar herausarbeiteten.

Die heitere und die
Schattenseite der Liebe

Die Kantorei Barmen-Gemarke hatte von Johannes Brahms die „Liebeslieder-Walzer“ op. 52 und op. 65 und die „Vier Quartette“ op. 92 für ihr Abschlusskonzert dieser Spielzeit ausgesucht, Juwelen romantischer Chormusik. Handelt die erste Sammlung von dem heiteren, schwelgenden Aspekt der Liebe, konzentriert sich die zweite auf deren Schattenseite. Und bei Opus 92 geht es um Nacht, Nebel, Kummer. 38 kurze Lieder sind es, die die Kantorei unter der umsichtigen Leitung von Alexander Lüken mit Engagement und Textverständlichkeit vortrug. Dank der sensiblen vierhändigen Klavierbegleitung der Pianisten (Horstmann alleine bei Opus 92) gelangen den Choristen ausdrucksstarke Gesänge. So fielen manche wackeligen Einsätze und gerade bei den Männern unüberhörbare Intonationsprobleme nicht sonderlich ins Gewicht.

Lang anhaltender Schlussapplaus war der Dank für einen abwechslungsreichen Ausklang der Spielzeit seitens des traditionsreichen Chors.

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