Kultur Filmbilder spiegeln Landschaft und Mensch

Judith Röder bestreitet mir ihrer Installation „Wolken. Erste Aufnahme" die zweite Jubiläumsausstellung zum Zehnjährigen des Neuen Kunstvereins.

 Judith Röder vor ihrer Rauminstallation beim Neuen Kunstverein.

Judith Röder vor ihrer Rauminstallation beim Neuen Kunstverein.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Das Wasser sucht seinen Weg, tritt über die Ufer. Setzt kahle Bäume, Sträucher ins Wasser. In der Ferne hinter weiten Feldern erheben sich bewaldete Hügel. Verschwommene, krisselige Natur-Aufnahme in Grautönen, romantisch und unwirtlich-spröde zu gleich. Sie arbeite sich an der Landschaft ab, sagt die Schöpferin des gefilmten Bildes.

Die 38-jährige Judith Röder hat die Vulkaneifel, die Landschaft in der sie aufgewachsen ist, zum Thema einer sehr persönlichen Rauminstallation gemacht – in sorgsamer, zweieinhalbjähriger, spartenübergreifender Arbeit aus Film, Fotos, Skulptur und Buch. Für neun Tage ist „Wolken. Erste Aufnahme“ im Neuen Kunstverein an der Hofaue zu Gast.

Vor zehn Jahren wurde der Neue Kunstverein gegründet, feiert nun sein Jubiläum mit zehn Ausstellungen, eine jede wird von einem anderen Kurator-Künstler-Gespann gestaltet. Im letzten Jahr war Lisa Thiele, stellvertretende Vorsitzende des Vereins, ihrer ehemaligen Professorin Lilian Haberer in Bremen wieder begegnet, hatte die Professorin für Kunstgeschichte im medialen Kontext an der Kunsthochschule für Medien Köln (KKM), zur Mitwirkung gewonnen.

Die wiederum lud ihre Studentin Röder mitsamt Diplomarbeit nach Wuppertal ein. Haberer ist vom „ethnografischen Blick der Arbeit“ beeindruckt, von ihrer „konzeptuellen Herangehensweise und dem Umgang mit Materialität“. Röder zeige die Landschaft auf vielseitige Art und Weise: geschichtlich, durch Glasskulpturen, filmisch und in dichten, poetisch kraftvollen Texten.

Grundpfeiler der Arbeit
sind Licht und Glas

Judith Röder wohnte in Höhr-Grenzhausen, wohnt in Köln. Grundpfeiler ihrer künstlerischen Arbeit sind Licht und Glas. In Vorbereitung des Studiums erlernte sie zunächst das Handwerk der Kunstglaserin, studierte dann freie Kunst am Institut für Künstlerische Keramik und Glas der Hochschule Koblenz in Höhr-Grenzhausen. Arbeitete im Anschluss sieben Jahre als freie Künstlerin, bevor sie zum Studium an die KKM ging, das sie 2019 mit ihrem Vulkaneifel-Projekt abschloss.

Zum Film war sie schon als Kunstglaserin gekommen, indem sie Videoprojektionen auf Glas gestaltete. Nun suchte sie die Landschaft auf, in der sie aufgewachsen war, versuchte herauszufinden, wie Landschaft den Menschen prägt und wie das in der Landschaft sichtbar wird. Eine Spiegelung, ein subjektiver Blick, der Erinnerungen an Wirklichkeit, nicht ihre Darstellung, einerseits und das Interesse an der Landschaft und ihrer Materialität andererseits einschließt.

Sie ging ohne Drehbuch vor, nahm den jeweiligen Tageseindruck - Wolken, Regen oder Schnee - auf, arbeitete ganz bewusst langsam, geduldig und mit einer analogen, lichtempfindlichen Bolex-Kamera. Was nicht nur teuer war, sondern auch das Risiko beinhaltete, dass stets nur eine Aufnahme möglich, das Ergebnis erst später sichtbar war und Aufnahmen schlichtweg verloren gingen. Die körnige Materialität der Filmbilder waren es ihr wert. Die Schwarz-Weiß-Optik wählte Röder wegen des Erinnerungsaspekts. Man erinnere Bewegungen und Lichtverhältnisse nicht in Farbe, ist sie sicher.

Experimentalfilm wird
in Dauerschleife gezeigt

40 Minuten lang ist der Experimentalfilm, der nun auf einer Leinwand im tiefen Raum des Kunstvereins in Dauerschleife abgespielt wird. Der namensgebende Film „Wolken. Erste Aufnahme“ beginnt mit einer Wolkenformation über dem Tal bei Winkel. Es folgt der Steinbruch bei Brück. Eine langgezogene Wolke zieht heran, verschließt den Himmel. Dann der Wechsel zu schlagartigem Regen.

Der wort- und fast ganz menschenlose Film spiegelt sich in drei Glasplastiken wider, die Röder archäologischen Steingefäße des Römisch-Germanischen Museums nachempfunden hat. Hergestellt nach dem Verfahren der „verlorenen“ Form.

Bisher hatte die Künstlerin den Film stets in ganz dunklen Räumen gezeigt. Ihr gefällt der Raum des Kunstvereins mit seinen Graustufen, die der Film aufnehme, dadurch zarter und feiner wirke.

Komplettiert wird die Rauminstallation durch 38 etwa DIN A-4 große Bilder, die den Besucher im vorderen Bereich des Raums empfangen: 32 Fotos vom Film und sechs Texte, Stellvertreter der nicht gemachten Bilder. „Die Pappelallee, die das Ende der Dorfstraße markiert. Angestautes Regenwasser rinnt den Pfad herab“, hat Röder über eines dieser verlorenen Bilder geschrieben, die sich in ihrem Kopf eingeprägt haben.

„Leerstellen“ und Filmbilder, darunter etliche, die der Film nicht zeigt, hat sie zu einem 260 Seiten starken Künstlerbuch zusammengetragen, aus dem sie zur Eröffnung am Wochenende las. Und das nun auf den Markt kommt.

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