Geburtstag Nicht nur an der Orgel zu Hause

Joachim Dorfmüller ist 80 Jahre alt geworden. Der Wissenschaftler und Musiker ruht nicht.

Der bekannte Organist Joachim Dorfmüller kennt auch mit 80 Jahren keinen Ruhestand.

Der bekannte Organist Joachim Dorfmüller kennt auch mit 80 Jahren keinen Ruhestand.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Er ist ein vielseitig gebildeter Mensch alter Schule, ist Lehrer, Musiker und Musikwissenschaftler, bekannter Organist mit vielen Auszeichnungen und zweifacher Ritter der norwegischen Krone: Prof. Dr. Joachim Dorfmüller, geboren am 13. Dezember 1938, nunmehr 80 Jahre alt. Vollbeschäftigt im Unruhestand. Immer gerade da mit Herzen bei der Sache, wo er gerade arbeitet – inklusive täglichem Klavierspiel auf dem Bechstein-Flügel aus dem Jahr 1883 in seinem Haus am Heidter Berg. Ein Leben voller Ereignisse und Geschichten.

Etwa die seiner biblischen Vornamenswahl, die der Vater vor der Kritik der Nazis schlagfertig damit rechtfertigte, dass es ja auch einen Joachim von Ribbentrop und einen Joseph Goebbels gebe. Der Zweite Weltkrieg sorgte dann dafür, dass der gebürtige Wuppertaler als Kind mit seinen Eltern nach Werdau bei Leipzig zog, wo die ausgebombte Familie bei der Großmutter unterkam. Kurz bevor er beim Thomaner Chor eine Gesangsausbildung antreten sollte, kehrte die Familie nach Wuppertal zurück, weil sie 1951 legal ausreisen konnte. Also blieb es beim Singen im Rahmen der Schulmusik. Und, erinnert Dorfmüller, beim Singen in der Kantorei Barmer Gemarke.

Überhaupt die Musik: Der Vater war Kantor, Organist und Musikpädagoge, lehrte den Sohn das Klavierspiel ab dem sechsten Lebensjahr, die Violine folgte mit neun, die Orgel mit 16. Nach der Schule studierte er Schulmusik, Philosophie, Pädagogik, Latein, Musikwissenschaft, Altphilologie, Geographie und Geologie sowie Kirchenmusik. Unterrichtete an mehreren Schulen, so auch neun Jahre am Gymnasium Sedanstraße, an mehreren Universitäten und Hochschulen, seit 1984 in Münster. Schrieb seine Doktorarbeit 1967, die Habilitation 1982, wurde 1987 zum Professor ernannt.

Eine schicksalshafte Begegnung wies den Weg nach Norwegen

Während des Studiums machte Joachim Dorfmüller eine schicksalshafte Bekanntschaft. Der norwegische Opernsänger Helge Birkeland sang in der Spielzeit 1963/64 in Wuppertal, brauchte kurzfristig einen Pianisten für ein Konzert. Dorfmüller sprang, ohne jede Probe, ein und überzeugte. Beginn einer Freundschaft, die über eine erste Norwegen-Reise zu regelmäßigen Konzerten führte, die der Wuppertaler Musiker über zwölf Jahre in Norwegen bestritt, und einer Leidenschaft, die er für norwegische Komponisten, vor allem Edvard Grieg, entwickelte.

Norwegen gilt seine Leidenschaft: Dorfmüller schrieb seine Dissertation über norwegische Klaviermusik nach Edvard Grieg, setzte sich für einen Grieg-Weg in Barmen ein, gründete die deutsche Grieg-Gesellschaft, wurde zweimal zum Ritter geschlagen – 2011 des dänisch-norwegischen Königs Christian IV. und 2017 des norwegischen Königs Harald V.. „Das war das einzige Mal, dass ich geschlagen wurde“, erzählt Dorfmüller wie nach einem Konzert in Kristiansand (Partnerstadt von Münster) 2011 plötzlich ein Ritter in voller Montur, mit Schwert und Urkunde hereinkam, ihn aufforderte sich nieder zu knien. Das deutsche Bundesverdienstkreuz hatte er da schon.

Seit 2004 ist Dorfmüller emeritiert, hat seitdem seine Lehrtätigkeit sukzessive reduziert, kümmert sich aktuell (nur) noch um fünf Doktoranden. Im kommenden Sommersemester ist er wieder in Münster, um in die Welt der Komponisten einzuführen. Wichtig ist ihm dabei, Theorie mit Praxis zu kombinieren. „Ich wüsste nicht, dass ich je einen Vortrag gehalten hätte, ohne auch Klavier zu spielen.“ Ach ja, Musikaufnahmen hat er natürlich auch aufzuweisen - etwa 64 CD, die er allein oder mit anderen eingespielt hat.

Zwischen 40 und 50 Konzerte und Vorträge gibt er heute noch. Ist gerade von einer Herbsttournee nach Sachsen zurückgekehrt, sitzt alle vierzehn Tage an seiner Lieblingsorgel in der Lutherkirche, wo er 1957 erstmals spielte. Zunächst als Student noch an der alten Orgel, die er mitrenovierte. In der er eingepackt in Zeitungspapier, Mendelssohn-Noten entdeckte, die dort vor den Nazis versteckt worden waren. Freude ist für Dorfmüller, wenn er mit seiner Musik dem Publikum etwas Positives geben kann, der „Funke überspringt“.

Er gehörte 1974 zu den Initiatoren „Wuppertaler Orgeltagen“, die er bis 2003 künstlerisch leitete. Auch seine Forschungen widmen sich musikalischen Themen: der Orgelsgeschichte, der Wuppertaler Chorgeschichte oder den Straßennamen in seinem Barmer Komponistenviertel, denen er eine Vortragsreihe widmete. Fortsetzung folgt.

Der Jubeltag selbst war der Familie gewidmet. Im Januar soll die offizielle Feier mit einem Bergischen Kaffeetrinken folgen. „Von mehr weiß ich nicht, aber die Familie sicherlich“, schmunzelt er und betont, dass ihm die Familie natürlich ebenfalls Lebensinhalt sei: „Ich bin dankbar für ihre Unterstützung, besonders meiner Frau.“

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