Interview: Theater, wie es Jugendlichen gefällt

Der Jugendclub der Bühnen kooperiert mit dem Berufskolleg am Kothen. „Wie es Euch gefällt“ hat am 8. März Premiere.

Herr Höller, der Jugendclub der Wuppertaler Bühnen inszeniert „Wie es Euch gefällt“. Das Ergebnis ist ab dem 8. März im Kleinen Schauspielhaus zu erleben und in verschiedener Hinsicht eine besondere Premiere. Auf der Bühne stehen Jugendliche, die eine ganz eigene Lesart des klassischen Textes gesucht haben. Außerdem haben Sie zum zweiten Mal mit einer Klasse der Berufsschule Textil und Bekleidung des Berufskollegs am Kothen zusammengearbeitet. Wie hat man sich das — praktisch gesehen — vorzustellen?

Markus Höller: Die Klasse am Kothen hat unter Anleitung ihrer Lehrerin Annette Figge mit großem Elan die Kostüme entworfen und geschneidert. Zunächst habe ich das Projekt vorgestellt und mit der Klasse erste Kostümideen entwickelt. Die Schüler haben sie dann dem Jugendclub im Opernhaus vorgestellt. Die Jugendlichen nahmen die Ideen für ihr Spiel auf und führten gleichzeitig die Kostümbildner in das Werk Shakespeares und in die Charaktere ihrer Rollenfiguren ein. Parallel dazu bildeten sich Paare (Kostüm/Spieler), die sich gegenseitig inspirierten. Das Kostüm nimmt Einfluss auf das Spiel und der/die Spielerin Einfluss auf das Kostüm. Anproben fanden im Berufskolleg und in der Damenschneiderei im Opernhaus mit der Gewandmeisterin Petra Leidner statt, die der Kostümklasse mit Rat und Tat zur Seite stand. Bei unserem FSJ-ler Sebastian Seidel (Anmerkung der Redaktion: FSJ steht für das „freiwillige soziale Jahr“) laufen alle Fäden zusammen. Er fertigt genaue Listen zu jedem Kostüm an und komplettiert sie mit Teilen wie Strumpfhosen, Tops und Schuhen aus unserem Fundus. Dabei ist sein ästhetisches Gespür gefragt.

Wie werden Kostüme und Bühne konkret aussehen?

Höller: Die Kostüme der Menschen sind weiß, zeitlos elegant und formal. Die Kostüme der Geister sind wild, ungestüm und farbenfroh. In manchen wohnt die stille Poesie von einer Blüte, andere sehen aus wie kostümgewordene, kreischende Gitarrenriffs.

Vom Äußeren zum Inhaltlichen: Welche Lesart haben die Jugendlichen denn gefunden? Ist das Original noch zu erkennen?

Höller: Wir haben bei der Erarbeitung des Stücks den Fokus auf die Begegnungen der Menschen im Ardenner Wald gesetzt. Orlando, Rosalind und die anderen Protagonisten streifen und irren aus den unterschiedlichsten Gründen umher. Sie treffen sich, trennen sich, verlieben sich und versuchen, ihre wahren Gefühle zu maskieren. Dabei sind sie ständig von für sie unsichtbaren, zauberhaften Waldgeistern umgeben, die das merkwürdige Verhalten — die codierten Liebesrituale der Eindringlinge — beobachten. Die Geister kommen bei Shakespeare nicht vor. Wir haben uns gefragt, wer die Geschicke der Menschen bestimmt. Sind es die Menschen selbst? Warum verbergen sie mit ihren angelernten Umgangsformen ihre wahren Gefühle? Wo kommt die Angst her, seine Liebe zu bekennen? Warum verstecken sie sich hinter Witz und Sarkasmus? Was riskiert man, wenn man sich verliebt? Diese menschlichen Sorgen und Nöte sind den Geistern völlig unbekannt — also ebenso fremd wie strategische Verhaltensweisen im Umgang mit anderen. Sie sind zwar eine homogene Gruppe, in der alle gleich sind, in der aber eben auch niemand etwas Besonderes für jemanden sein kann.

„Wie es Euch gefällt“ ist bereits die siebte abendfüllende Produktion, die Sie und Ihre Kollegin Miriam Rösch zusammen mit Jugendlichen erarbeitet haben. Welches Projekt ist als nächstes geplant?

Höller: Die nächste Premiere nach „Wie es Euch gefällt“ ist „Viel Lärm um Nichts“ — auch ein Shakespeare, diesmal mit der integrativen Theatergruppe. Das ist dann auch die siebte Produktion, die die Bühnen in Kooperation mit dem Verein Mit-Menschen („Verein für Menschen mit Behinderung“) realisieren. Mit dem Jugendclub ist in der kommenden Spielzeit die Bearbeitung eines preisgekrönten Bilderbuchs geplant, in dem es, so viel sei schon verraten, um das Warten auf das Glück geht. Mit der integrativen Theatergruppe werde ich ein Märchen der Brüder Grimm auf die Bühne bringen.

Wie kreativ sind die jungen Schauspieler? Preschen Sie selbstbewusst nach vorne — oder warten Sie erst einmal ab, was die Theaterpädagogen sagen?

Höller: Der aktuelle „Jugendclub I“ besteht aus jungen Menschen, die in der Vergangenheit in einem unserer Jugendclubs gespielt haben. Sie kennen also sehr genau die Arbeitsweise meiner Kollegin, Miriam Rösch, und mir. Es ist uns sehr wichtig, das kreative Potenzial der Spieler zu erkennen, zu fördern und zu entwickeln. Das gibt Selbstvertrauen und ermutigt sie, nach vorn zu gehen. Die Jugendlichen wissen, dass das Stück ohne ihren kreativen Input nicht so gut werden kann, wie es werden könnte. Das befeuert einen offenen kreativen Umgang, eine große Konzentration und somit ein positives Ensemblegefühl. Jeder trägt seinen persönlichen Teil zum Gelingen bei.

Wenn nach der Aufführung junge Zuschauer Lust bekommen, ebenfalls die Bühne zu stürmen — dürfen Sie das dann? Können Nachwuchstalente jederzeit in den Jugendclub einsteigen — oder gibt es Castings und spezielle Termine?

Höller: Wir freuen uns über jeden „Bühnenstürmer“. Wir starten immer nach den Sommerferien — nicht nur mit unseren Jugendclubs, sondern mittlerweile auch mit unserem „Studi-Club“ (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist der Uni-Club, in dem Studierende unter Anleitung von Markus Höller im Opernhaus proben und Theater machen).

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