Im Schleudergang des Schicksals

Regisseur Schlösser probt „Hiob“am Engelsgarten: Stehen wir zu unseren Werten auch in der Krise?

Im Schleudergang des Schicksals
Foto: Christoph Sebastian

Wuppertal. „Die große Krisen gibt es nun mal, im Gesellschaftlichen wie im Privaten“, sagt der Regisseur Patrick Schlösser. „Dann kommt irgendwann der Punkt, an dem man sich fragt: Was gelten unsere Werte denn jetzt noch?“

Der 43-jährige Schlösser, der sich nach seinen erfolgreichen Anfangsjahren am Düsseldorf Schauspielhaus einen ausgezeichneten Ruf an deutschsprachigen Bühnen erarbeitet hat, probt derzeit im Theater am Engelsgarten „Hiob“, das Drama nach dem Roman des Österreichers Joseph Roth.

Der Bezug zur Bibel könnte nicht deutlicher sein: Die jüdische Familie Singer trifft ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Weder in ihrem Schtetl im zaristischen Russland noch in New York, wohin vier der sechs Familienmitglieder vor dem Ersten Weltkrieg auswandern, findet der fromme Thora-Lehrer Mendel Singer Frieden, Auskommen oder gar Glück. Als von seiner Familie kaum noch etwas übrig ist, hadert er mit allem, an was er glaubt, und will sich von Gott abwenden — da schickt dieser ihm tatsächlich ein Wunder.

Die Werte, die es in Momenten der Krise aufrecht zu erhalten gilt, „dann wenn man vor Gott steht“, sind für Patrick Schlösser universell: „Die gelten einfach - das sage ich als gläubiger Mensch.“

An einem neuartigen Trick tüftelt der Regisseur, der auch für das Bühnenbild verantwortlich ist, noch mit einem technisch versierten Mitarbeiter, der die Idee dazu hatte: Der Baum, der am Bühnenrand steht, wird über Video-Mapping seinen Schatten verändern, um den Riss zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu illustrieren.

„Videoeinspielungen fand ich im Theater nie sinnvoll“, sagt Schlösser, doch dies sei etwas anderes und ein gänzlich neues Stilmittel für die Bühne. „Das ist bisher nur einmal eingesetzt worden, nämlich in unserer „Thommy“-Inszenierung in Kassel. Da war es sehr stimmig.“ Hier müssen sie unter anderem noch herausbekommen, wie sie den echten Schatten wegblenden: „Ich kann nur hoffen, dass es klappt.“

Intendantin Susanne Abbrederis, die mit Schlösser schon „in Wien mehrfach schön zusammengearbeitet hat“, umrahmt die Inszenierung bis in den März hinein mit fünf Hiob-Gesprächen — die sich thematisch über ein Feld von der Bibel über Joseph Roth bis zu Juden auf Wanderschaft erstrecken.

Als erster spricht Jan-Henry Wanink, Pastor der niederländisch-reformierten Gemeinde, drei Tage nach der Premiere zum Thema „Nicht jammern, sondern klagen! Hiob als biblisches ,J’accuse!’“ (24. November, 19 Uhr im Kleinen Foyer des Opernhauses). Am 7. Dezember referiert die Wuppertaler Literaturwissenschaftlerin Luisa Banki über „Joseph Roths ,Hiob’ gelesen im Kontext deutsch-jüdischer Literatur“. Tickets für 8 Euro, Schüler 6 Euro über Tel. 563 7666 und

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