Ohrenöffner Ein Tausendsassa des 20. Jahrhunderts

Im „Ohrenöffner“ des Sinfonieorchesters wurde Leonard Bernstein porträtiert.

Am 25. August 2018 wäre Leonard Bernstein 100 Jahre alt geworden. Bevor das Wuppertaler Sinfonieorchester am 18. und 19. November seine Symphonischen Tänze aus der West Side Story präsentiert, wurde am Samstagmittag zu einem Porträt des Komponisten im Rahmen des Gesprächsformats „Ohrenöffner“ geladen.

In der bis auf den letzten Platz besetzten CityKirche sprach Moderator Bjørn Woll mit Generalmusikdirektorin Julia Jones und Education Managerin Heike Henoch über Bernsteins Werke, seine Persönlichkeit und seinen enormen Einfluss.

Von Musical und Oper bis hin zu atonaler Zwölftonmusik – allein die Vielfalt seiner Werke zeigt Bernstein gemäß Titel der Gesprächsrunde als „Tausendsassa“. „Er war ein universales Genie“, so Julia Jones. Bernstein habe die Gabe besessen, alles um sich herum zu absorbieren und in Musik zu verwandeln. Und doch wurden seine Werke häufig kritisiert, so etwa seine „Mass“, deren thematisierte Glaubenskrise für Kontroversen sorgte. Bis heute werden nur wenige seiner Kompositionen regelmäßig aufgeführt. Julia Jones sieht den Grund dafür in ihrer Komplexität – sowohl für die Musiker als auch für die Zuhörer: „Das ist ja für viele normalsterbliche Menschen auch sehr viel Input.“ Auch Plagiate wurden Bernstein wiederholt vorgeworfen. Jeder Komponist werde von Traditionen inspiriert, die er mitnehme und verändere, relativierte Jones. „Ich glaube, dass einfach viele Menschen neidisch waren.“

Eines der größten Egos, die ein Künstler haben kann

Mit Bernstein zu arbeiten, sei nicht immer leicht gewesen, berichtete Bjørn Woll. Er sei dafür bekannt gewesen, im Konzert plötzlich alles anders zu machen als geprobt. „Er hatte sicher eines der größten Egos, die ein Künstler haben kann“, bestätigte Jones. Außerdem habe er wenig emotionale Distanz zur Musik und damit auch zu seinem charakteristischen Dirigat besessen. Neben seinen Kompositionen und seinem Schaffen als Dirigent gerät jedoch eines oftmals in Vergessenheit: Bernsteins Tätigkeit als Lehrer. Mit seiner Musikvermittlungsreihe „Young People’s Concerts“, die ab 1958 im Fernsehen gezeigt wurde, gewährte er einem gänzlich neuen Publikum einen niedrigschwelligen Zugang zu Klassischer Musik. Ebenso wie in seinen Kompositionen habe Bernstein auch hierbei keine Genregrenzen gezogen, wie Heike Henoch erzählte.

Er habe den Menschen vermitteln wollen, „dass Metal genauso spannend ist wie eine Wagner-Oper“, so Henoch – eine Auffassung, die das Verständnis von Musikvermittlung bis zum heutigen Tag entscheidend geprägt habe.

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