Iconoclaste: Wut, Vergebung und perfekter Tanz

Der Auftakt der „Ikonoclaste-Reihe“ war ein voller Erfolg.

Wuppertal. Kammerspiel, Kammeroper, Kammermusik — Wuppertal ist um eine Sparte kleiner Formen reicher geworden: Das Tanztheater Pina Bausch präsentierte sich in der Reihe „Ikonoclaste“ im Café Ada als Kammer-Tanz-Theater mit sieben kleinen, von acht Tänzern dargebotenen Produktionen.

Sehr unterschiedlich sind die Szenen, die Pablo Aran Gimeno in „Ohne Titel“ tanzt: Das mitgesungene Lied führt zum Krampf im Bauch, die vielen Hemden verknoten sich zwanghaft, die Lawine im Video überrollt auch den Zuschauer, lenkt aber von seinen Bewegungen ab.

Alle Stücke erzählen Geschichten, der freien Assoziation sind keine Grenzen gesetzt: Durchsichtige Bälle glitzern wie Schaum oder Seifenblasen, durch die sich Fernando Suels Mendoza mit blankem Oberkörper in „I lost something in the hill“ bewegt, und entwickeln eine lebendig wabernde und luftige Eigendynamik.

Schönstes Ballett mit ausdrucksvoller Arm-Hand-Arbeit zeigt Ales Cucek in „For Solo“ und Clémentine Deluy und Damiano Bigi tanzen in „Mitternacht zweier Fische“ ein Beziehungsdrama: Anziehen und Wegstoßen, Aggression und Kampf zu immer bedrohlicher klingender, elektronischer Musik. Zärtliche Gesten wie umarmen, den Kopf an die Schulter legen, halten, stützen und auffangen sind die kurzen Versuche der Stabilisation. „Fliegen“ von Regina Advento und Ales Cucek getanzt, enthält Soli und Paar-Szenen. Advento flattert — im rosafarbenen Blumenkleid — wie ein Schmetterling über die Bühne oder nimmt mit zwei Windrädern vor der Brust wehende Fahrt auf. Wie den fliegenden Robert scheinen die vielen bunten Luftballons sie schließlich in die Lüfte zu entführen. Langsames Tropfen von Wasser schafft im Stück „1,26“ Ruhe und Beklemmung zugleich: Helena Pikon nähert sich der Tropfstelle in Zeitlupe. Die Hände fangen auf, zerreiben, verteilen. Oder sie liegt davor wie träumend. Endlich verkriecht sie sich genervt in sich selbst.

„Herbst“ nennen Clémentine Deluy, Damiano Bigi und Tusnelda Mercy ihr Trio aus Annäherung und Abstoßung: Körper sauber zu wischen oder zornig die Haare zu schmeißen — das sind Gesten von Vergebung und Wut. Denn ein Dritter stört jeweils ein Paar. Auf hohem Niveau wird getanzt, und jeder Part könnte ein Teil aus einem Bausch-Stück sein — so sehr haben Tänzer und Choreografen Pina Bauschs Arbeitsweise verinnerlicht.

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