Ich packe meinen Koffer: Wie eine Kiste zu Kunst wird

Die Gruppe 6Pack aus Wuppertal hat einen Koffer zu befreundeten Künstlern in ganz Europa geschickt. Die haben ihn mit Leben und Ideen gefüllt.

Wuppertal. Dass ein Koffer Karriere macht, ist nicht alltäglich. So aber ist es bei dem Safty-Case, also einem Exemplar für Wertgegenstände. Ihn schickte 6Pack, ein Wuppertaler Künstlerkollektiv um Renate Löbbecke und Regina Friedrich-Körner, auf Europa-Tour. Jetzt ist er unter dem Titel „Moving Art Box“ zurück an seinem Ursprungsort. Einen Kubikmater misst die Kiste, leer wiegt sie etwa 40 Kilo und ist ebenso stabil wie praktisch. „Seit zehn Jahren haben wir sie und nutzen sie zum Transport wertvoller Dinge.“ Nun wurde sie selbst zum wertvollen Kunst-Objekt.

„Wir haben Künstler in ganz Europa eingeladen, auf die allein reisende Kiste zu reagieren“, sagen die beiden Frauen. Nach dem Motto „erlaubt ist, was gefällt“ wurde sie im März vergangenen Jahres mit künstlerischen Arbeiten, aber auch Alltäglichem wie einer 30 Meter langen Kordel und einem Päckchen Kaugummi gefüllt — und Richtung Sunderland, England, geschickt. Und „genau wie wir es erwartet und gewünscht hatten“, wurde auf die Kiste und ihren Inhalt reagiert.

Diese Reaktionen, in England war das ein Wettbewerb im Kaugummiblasen machen und Seilchenhüpfen, wurden kunstvoll in Fotos und Videos festgehalten. Und wie alle folgenden Aktionen auch in einen entsprechenden Blog gestellt. An der nächsten Station, einem Künstlerhaus namens ArToll in Bedburg, wurde die Kunstkiste erst gar nicht ausgepackt, sondern auf das Dach eines Autos verfrachtet. Um sie nach Amsterdam, Holland, zum nächsten Haltepunkt zu bringen. Was wiederum in bewegten Bildern festgehalten wurde.

So ging die Tour weiter nach Otterlo. „Inmitten einer Sanddüne hatten Marian Mijnhardt, Eva Blaak und Henk-Geert Blaak aus Kiste, Inhalt und neu hinzugefügten Accessoires eine Fabrik gebaut. Und darüber einen Film gedreht.“ So weit, so schön. „Kurz darauf bekamen wir aus Antwerpen die Nachricht, die Kiste ist leer. Das war zunächst ein Schock.“ Denn bislang war es immer so gewesen, das die beteiligten Künstler dem Bestehenden noch etwas hinzugefügt hatten. Jetzt war es umgekehrt, alle Accessoires waren weg, alles stand auf Anfang.

. . .und über die Mitarbeit von Künstlern aus ganz Europa.

„Wir hatten mit vielen Überraschungen, Prozessen und Handlungen gerechnet. Damit aber nicht“, erinnern die zwei sich. Beim nächsten Kunstpunkt schuf der Antwerpener Mark Swysen aus der leeren Kiste eine grundsätzliche Reflexion über Kunst und ihre Begrifflichkeiten. Auch die auf ihn folgenden Studenten der Kunsthochschule in Gießen nahmen die inhaltslose Box, um sie kunstvoll zu fotografieren.

Über Cala Figuera auf Mallorca reiste die Art Box schließlich nach Wroclaw in Polen. Andrzej Dudek-Dürer nahm sich der teilweise ramponierten Box an, beklebte sie mit Abbildern seiner „Schuhkunst“. Seit Kurzem ist die Kunstkiste zurück in Wuppertal.

„Alle Beteiligten haben wunderbare Orte und Ideen gefunden, die Kiste zu inszenieren“, freuen sich die Initiatorinnen. Als „unendlich vielschichtig“ loben sie die Einfälle der insgesamt 69 Künstler aus neun Städten. Neue Kontakte und Inspirationen sind entstanden, manche Arbeit ist noch längst nicht fertig gestellt. So soll die Vernissage der Moving Art Box nicht nur im Neuen Kunstverein zu sehen, sondern mit diversen Performances der mitmachenden Künstler in der Stadt erlebbar werden. „Die Kiste lebt!“, resümieren Regina Friedrich-Körner und Renate Löbbecke. „Sie wird weiter auf Reisen gehen.“

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