Freie Kultur Wuppertal : Heute vor 30 Jahren gab es unglaubliche Bilder aus Leipzig
Tine Lowisch über das mutige Gefühl der inneren Befreiung.
Im Grunde kann man an jedem beliebigen Tag an einen besonderen Menschen erinnern. An Eugen Langen zum Beispiel. Der Mann, der unsere Schwebebahn erfand, und sie doch nie in Bewegung sah. Er hätte heute Geburtstag. John Lennon, der uns generationsübergreifend mit seiner Musik bewegte und dessen gewaltsamer Tod bis heute nicht ins Konzept passt auch. Heute ist aber auch der Todestag von Che Guevara, der der Meinung war, dass wir realistisch bleiben sollen, wenn wir das Unmögliche versuchen. Vor einer Woche hätte Mahatma Gandhi Geburtstag gehabt. Und so weiter.
Nur heute geht das irgendwie nicht. Denn dieser Tag vor 30 Jahren in Leipzig war ganz und gar anders. Am 9. Oktober 1989 passiert etwas Singuläres. Etwas Epochales, das alle anderen Assoziationen zu diesem Tag für immer in den Schatten stellen wird: Eine Revolution gelingt! Und das spektakulär friedlich. Durch zivilen Ungehorsam, durch gewaltlosen Widerstand von etwa 70 000 Menschen. Durch politisch Verantwortliche, die sich gegen aktives Einschreiten gegen die eigene Bevölkerung entscheiden.
Durch das in diesem Moment wirkungsvolle Zusammentreffen vieler Faktoren erleidet die Diktatur der DDR so ihre entscheidende Niederlage, am ersten Montag nach dem 40. Jahrestag ihrer selbst. Im Anschluss an die Zusammenkünfte in der Leipziger Nicolaikirche, die sieben Jahre lang immer montags die oppositionellen Kräfte im Gebet stärkten, gewinnt ein Phänomen das immer wieder neu erstritten, verhandelt und bestätigt werden muss: Die Freiheit. Noch Tage vorher scheint die SED entschlossen die Oppositionsbewegung ohne Rücksicht auf Verluste gewaltsam niederzuschlagen. Der Auftrag aus Ost-Berlin für den 9. Oktober 1989 lautet: „Die Staatsfeindlichkeit mit Gewalt ein für alle mal zu beenden.“