Theater Heiner Müllers „Quartett“: „Das Fleisch ist die Nahrung der Gräber“

In einer grandiosen Ein-Mann-Leistung hat Heiner Müllers „Quartett“ mit Uwe Dreysel in gleich vier Rollen Premiere gefeiert.

Uwe Dreysel.

Uwe Dreysel.

Foto: Bühnen

Wuppertal. Kann das denn funktionieren? Ein Schauspieler spielt vier Rollen, ohne Kostüm oder Maske wechseln zu können? Dass das grandios geht, zeigte Uwe Dreysel bei der Premiere des Wuppertaler Schauspiels von Heiner Müllers „Quartett“ am Donnerstag im Kleinen Foyer des Opernhauses. Mit sehr großem Applaus wurde der 70-minütige, brillante Parforceritt des Schauspielers honoriert. Müllers sprachgewaltiges Drama von 1981 beruht auf dem Briefroman „Gefährliche Liebschaften“ von Choderlos de Laclos aus dem Jahr 1782. Er reduziert das Personal auf vier Figuren. Da sind Valmont und seine ehemalige Geliebte Merteuil, die in selbstzerstörerischem Hass immer noch verbunden sind. Da ist die treue Ehefrau Volanges, die Valmont verführt, um selbiges mit ihrer jungfräulichen Nichte Tourvel machen zu können.

Was vordergründig ein frivoles Geflecht scheint, ist tatsächlich das Seelendrama einer gescheiterten Partnerschaft. Uwe Dreysel, der auch Regie führt, macht daraus den Monolog in vierfacher Gestalt eines verzweifelten Hedonisten, der vergeblich versucht, seine zerflei-schende und nun beendete Beziehung zu verarbeiten. Dreysel, ganz in schwarz gekleidet, wechselt nicht nur die Positionen — mal an der Bar des Kleinen Foyers, mal an der minibühnenartigen Treppe zum Notausgang — sondern gibt durch Stimme und Gestik jeder Figur ihren unverwechselbaren Charakter. Und doch bleibt es nicht nur unterschwellig ein Selbstgespräch.

Mit sparsamen, spielerisch eingesetzten Requisiten werden die vier Personen zudem gekennzeichnet. So hat Merteuil ein Glas grünen Weins: gleichzeitig Symbol für das Giftige der Worte („Ihr Atem schmeckt nach Einsamkeit“), wie für das Vergiftete der Beziehung („Sie gehen aus dem Leim“).

Auch Dreysels Regieeinfälle passen zu diesem krassen und durchaus komischen Drama: Als fast nackter Christus hängt er am Kreuz mit einem Brautschleier um die Lenden, um die klösterlich erzogene Nichte herumzukriegen. Als deren Jungfraulichkeit fällt, fällt auch der Schleier zu Boden. Valmont kann nicht lieben. Sein exzessives und auch perverses Lustleben kann nicht die Leere in seiner Seele füllen oder die Angst vor Vergänglichkeit und Tod nehmen: „Das Fleisch ist die Nahrung der Gräber.“ Das Thema ist zeitlos, aber vielleicht gerade heute besonders aktuell, was Dreysel eindringlich vermittelt.

www.wuppertaler-buehnen.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort