Heimspiel: Olga Scheps gibt sich neckisch, stürmisch und verträumt

Die Pianistin, die in Wuppertal aufgewachsen ist, begeisterte ihre Gäste in der Stadthalle.

Wuppertal. Es muss vor fast 20 Jahren gewesen sein. Zwei kleine Mädchen in weißen Strickjäckchen saßen bei einem Jugendkonzert in der Immanuelskirche am Klavier. Sie spielten enorm gut für ihr Alter. Aber es gab keine Verbeugung, keine Zugabe, nur ein schnelles Verschwinden von der Bühne. So also, dachte man, beginnen Pianisten-Karrieren.

Die Karriere hat die jüngere der Schwestern gemacht: Olga Scheps, Echo-Preisträgerin von 2010, gastierte nun beim Bayer-Klavierzyklus in der Historischen Stadthalle. Die 1986 in Moskau geborene und in Wuppertal aufgewachsene Pianistin konnte sich am Dienstagabend über einen nahezu ausverkauften Mendelssohn Saal freuen.

Mit Haarknoten, schwarzem Pulli und schwarzer Hose gibt sie sich streng und hochkonzentriert bei Nikolai Medtners Erinnerungs-Sonate. Ob Olga Scheps beim wechselreichen Spiel von romantisch-verträumt bis stürmisch-ausbrechend auch Wuppertaler Erinnerungen herauf beschört? Jedenfalls ist sie gut eingespielt für die beiden Préludes von Sergei Rachmaninow aus seinem Opus 23 von 1903.

Hierbei spielt sie das Thema des D-Dur-Werkes schlicht. Tiefe, Innigkeit und weiche Übergänge vernachlässigt sie zugunsten frischen Zupackens und jugendlichen Elans. Den kann sie besonders auch im g-Moll Werk „Alla marcia“ ausleben: Raue Rhythmen im Fortissimo liegen ihr besonders gut und sie kann den schmerzlichen Einbruch des Tenor-Diskant-Duetts anschaulich kontrastierend gestalten.

Rachmaninows 20 Variationen über das „La follia“-Thema bei Corelli durcheilt sie virtuos: Düster, unwirsch zerhackt, romantisch aufgeladen oder ersterbend ruhig legt sie die Variationenfolge an. Kleine Spiel-Unsicherheiten verzeiht man bei einem so ausgeprägten Gestaltungswillen gerne.

Mit beschwingten Walzern, romantischen Nocturnes (Nachtstücken) und Balladen ist die zweite Programmhälfte bestückt. Die beiden Walzer aus Tschaikowskys Opus 51 spielt Scheps mit sicherem und gut gewichtetem Anschlag neckisch-hüpfend oder schwelgerisch-sentimental. Skrjabins As-Dur Walzer dagegen gibt sie mit großem Kraftaufwand einen kantigeren, zerhackteren Charakter.

Liszts berühmter „Liebestraum“ nimmt Scheps recht flott, wodurch Stille und Sanftheit des Ausdrucks geopfert werden. Ganz zu Hause ist die junge Pianistin bei Chopin, wo sie zu deutender Artikulation und dramatischer Gestaltung in der Ballade und zur entspannten Gelassenheit im Nocturne findet.

Dass sie sich nicht in der Musik verliert, sondern Distanz wahrt, kann man der jungen Künstlerin durchaus als Reife auslegen. Natürlich darf das Wuppertaler Heimspiel nicht ohne Zugabe bleiben — anders als in den Kinderjahren kommt sie dem gerne nach.

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