Hanna Werth: Eine Prinzessin mit vielen Gesichtern

„Ich bin toll aufgenommen worden“, sagt Hanna Werth. Im Opernhaus spielt sie (nicht nur) Prinzessin Lena.

Wuppertal. Als Hanna Werth die Besetzungsliste studierte, war für die Schauspielerin klar: „Das muss ein Versehen sein.“ Keine Frage: Die 27-Jährige hatte eine ganz andere Vorstellung von ihrer ersten Rolle an den Wuppertaler Bühnen. „Als ich hörte, dass ich bei der ,Trilogie der Sommerfrische’ dabei bin, dachte ich, ich spiele eine Dienstmagd.“ Was sie alles andere als despektierlich meint. Und noch heute ist die Überraschung herauszuhören, mit der sie von ihrer Berufung als kapriziöse Bürgerstochter erzählt.

Denn das Schicksal — oder besser gesagt Schauspiel-Intendant Christian von Treskow — hatte mit Hanna Werth ganz anderes vor. Ein Dienstmagd-Dasein kam nicht infrage. Im Gegenteil. Eine Hauptrolle sollte es sein — und das auch gleich in einem temporeichen Dreieinhalb-Stunden-Programm. Die Aufgabe, ein verwöhntes Biest zu spielen, hat Werth mit Bravour gemeistert. Die Giacinta ist eine Paraderolle für die rothaarige Schauspielerin, die seit dieser Saison fest zum Ensemble gehört. Dabei ist Werth zwar ein heiteres Energiebündel, aber auch realistisch genug, um zu wissen, dass ein Start wie der ihre nicht selbstverständlich ist.

Schauspieler, die vorsprechen, kennen die Aussage. Wenn Theater-Leiter das Blaue vom (Bühnen-)Himmel versprechen, ist Vorsicht geboten. „Du wirst bei uns viel zu spielen bekommen“ — das haben vor Hanna Werth schon ganze Generationen von Darstellern gehört. Auch die 27-Jährige wurde mit entsprechenden Beteuerungen gelockt.

Heute ist sie erleichtert, dass ihr Bauchgefühl Recht hatte und sich ihre Entscheidung für das Bergische Land gelohnt hat. „Es ist schön, wenn Versprechen eingelöst werden“, betont die quirlige Elberfelderin, die über mangelnde Abwechslung nicht klagen kann. Bisher steht sie in drei — sehr unterschiedlichen — Produktionen im Rampenlicht. „Ich habe in der Tat viel zu tun. Es macht unsagbar viel Spaß.“ Das glaubt man gerne. Denn: „Wenn man mit einem Abend wie der ,Trilogie’ starten darf, ist das natürlich ein Geschenk.“ Und führt zudem dazu, „dass man sich schnell heimisch fühlt“. Das dürfte umso leichter fallen, wenn der Aufstieg förmlich zu sehen ist: In „Leonce und Lena“ bekommt es Werth mit einer ziemlich schrägen Bühne zu tun.

Die Kulisse wird immer steiler, die Darsteller müssen entsprechend reagieren — ihr „Aufstieg“ ist wörtlich zu nehmen. „Wir haben die Bühne als Gegenspieler. Da muss man sehr wach sein. Die Möbel fallen immer anders, das ist sehr spannend“, erklärt Werth, die in der „Trilogie der Sommerfrische“ die Göre gibt, andererseits auch eine Prinzessin ist — denn unter der Regie von Marcus Lobbes steigt sie zur Königstochter auf. Die Rolle der Lena gefällt ihr — auch wenn die Reaktionen des Publikums gemischt sind. Marcus Lobbes hat seine Inszenierung an die japanische Comic-Welt angelehnt. „Es ist eine Überforderung — für uns wie für das Publikum“, gibt Werth zu und meint das keinesfalls abfällig. „Ich sehe oft ein paar ratlose Gesichter. Das kann ich gut verstehen.“

In Leipzig und Berlin hat sie gelebt, jetzt ist sie in einer Mansarde in der Nordstadt zu Hause und nimmt die bergischen Temperaturen der vergangenen Monate mit Humor: „Ich bin kalte russische Winter gewöhnt.“

Ursprünglich stammt sie aus Hessen. „Meine Eltern arbeiten im Reisebüro, ich bin in der Nähe des Frankfurter Flughafens aufgewachsen und kannte sozusagen die Fluglinien auswendig.“ Reisen sind seitdem ihr Lebenselixier — nicht nur, weil sie eine Fernbeziehung pflegt und regelmäßig nach Leipzig fährt. „Ich bin so erzogen worden, dass Deutschland nicht der Nabel der Welt ist.“ Das erklärt auch, weshalb sie nach dem Abitur ein halbes Jahr lang in Indien lebte. Dort engagierte sie sich in einem Behindertenheim für Kinder, und dorthin zieht es sie auch immer wieder zurück.

Erst einmal steht allerdings „Der Besuch der alten Dame“ an: In der Komödie, die die Bühnen am 6. April in Remscheid herausbringen, hört Werth auf den Namen Ottilie. „Super, dachte ich, als ich das hörte. Endlich mal nur drei Sätze“, sagt Werth und lacht. Denn auch da irrte sie sich gewaltig: „Sybille Fabian hat eine sehr eigene Lesart und die Rolle der Ottilie stark ausgebaut.“ Werths Aufstieg geht also fröhlich weiter.

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