Wuppertaler Bühnen „Große Oper klein“: Wie Don José zum Mörder wurde

Die Bühnen haben sich mit einem neuen Format an Bizets berühmte Oper gewagt – und eine schnelle, mitreißende Inszenierung geschaffen.

 Carmen ist am 27. April und 1. Juni wieder auf der Bühne des Opernhauses zu sehen.

Carmen ist am 27. April und 1. Juni wieder auf der Bühne des Opernhauses zu sehen.

Foto: jens grossmann/JENS GROSSMANN

Sie ist der Inbegriff des musikalischen Spanienbildes, sie bietet weltbekannte Arien mit Ohrwurmqualität, ist eine der am häufigsten aufgeführten Opern, wurde natürlich auch mehrfach verfilmt: Georges Bizets Oper in vier Akten „Carmen“. Die Wuppertaler konnten in der letzten Saison eine interessante wie hoch gelobte Inszenierung der schottischen Theatermacherin Candice Edmunds erleben. Bevor diese am 27. April und 1. Juni diesen Jahres wieder auf der Bühne im Opernhaus zu sehen ist, wurde sie am Wochenende in einer Klein-Ausgabe aufgeführt. Womit ein Format gemeint ist, das Opern komprimiert und mit einer Art Anleitung anbietet, um so auch das eher opernferne Publikum anzulocken.

Bei „Hänsel und Gretel“ hatte das Format „Große Oper klein“ in der Saison 2017/18 Premiere. Engelbert Humperdincks Oper war für Grundschüler in ein von Angst befreites Mitmachstück mit einer redseligen Hexe Rosina Leckermaul verwandelt worden. Mit „Carmen“ nahm man sich nun ein durchaus schwierigeres Thema mit realitätsnahen Elementen vor. Das Ergebnis richtet sich bewusst nicht an kleine Kinder, sondern an Erwachsene und Kinder ab elf Jahren. Im (karnevalsbedingt?) nicht ausverkauften Haus saßen denn auch mehr Erwachsene in den Rängen als Kinder ab elf Jahren.

Wie beim Opernmärchen hatte Regieassistentin Karin Kotzbauer-Bode die szenische Einrichtung vorgenommen, hatte Edmunds Inszenierung von drei auf etwa anderthalb Stunden gekürzt. Dabei darauf geachtet, dass die Aufführung dennoch alle Höhepunkte des Originals, von den berühmten Liedern, über große Stimmen, große Emotionen bis hin zum dramatischen Ende behielt. Und weil deshalb auch fast alle Gespräche in französischer Sprache gesungen wurden, gab es allerlei Verständnishilfe: Sinngemäße und zusammenfassende Übersetzungen wurden über der Bühne eingeblendet, vor allem aber ein Erzähler eingebaut. Don José erzählte Carmens Geschichte aus der Perspektive des Verschmähten, der sein Leben als Soldat für seine Liebe opfert, für sie ins Gefängnis geht und zum Schmuggler wird. Der am Ende zu Gunsten des Rivalen von ihr verstoßen wird und sie in höchster Verzweiflung erschießt.

Schauspielintendant Thomas Braus lieh dem Erzähler seine Sprech-Stimme, die immer wieder aus dem Off eingeblendet wurde, Xavier Moreno (Tenor) schlüpfte auf der Bühne in die Rolle des Don José. Ihm zur Seite Johanna Brault (Mezzosopran) als selbstbewusste, ihre Freiheit liebende, lebensfrohe und durchaus auch ehrgeizige Carmen. Dritter im Bunde war Sebastian Campione (Bassbariton) vom Opernensemble als Torrero Escamillo.

Das Sinfonieorchester lieferte
eine souveräne Leistung

Ihren kräftigen, auch in den hohen Tönen präzisen Stimmen lauschte das Publikum nur zu gern. Auch Ralitsa Ralinova (Sopran), die ebenfalls fest an der Oper engagiert ist, aber diesmal nur einen kurzen Auftritt als Michaela hatte, überzeugte. Nicht zu vergessen der Opernchor, der in „Carmen“ einige, sehr populäre Auftritte hat. Und das Sinfonieorchester Wuppertal, das unter Leitung von Michael Cook eine souveräne Leistung lieferte, die wunderbare Musik Bizets dynamisch und klanglich fein intonierte .

Die Wuppertaler Inszenierung ist offen, der Raum abstrakt, wandelbar. Es gibt keine Umbaupausen. Szenenwechsel deuten sich durch mehrere Meter lange, rote Holzbretter an, die sich von oben nach unten und wieder zurück bewegen, den Raum mal nach hinten abschließen, sich mal zu einer (Stierkampf-)Arena fügen, meist als spontane Raumteiler dienen. Die Sängerinnen und Sänger agieren, tanzen, spielen in Kostümen, die in die Zeit des Spanischen Bürgerkriegs in den 1930er Jahren passen. Die Oper ist bewegungsreich und schnell. Und damit genau richtig für ein Publikum, das es erst zu erschließen gilt. Das neugierig ist, gebannt mitgeht und – wie beim großen Original – vor allem am Schluss nicht mit Applaus und Bravorufen geizt. Kleine Oper kann eben auch ganz groß sein und Geschmack auf mehr wecken.

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