Größenwahn, Verrat und wahre Liebe

Jörg Aufenanger: Der gebürtige Wuppertaler schreibt über Richard Wagner und seine Beziehung zu Mathilde Wesendonck.

Wuppertal. Zweimal Mathilde, Friederike, Minna, Cosima - Frauen gab es viele in Richard Wagners Leben, der früh die sinnliche Wirkung seiner Musik auf sie erkannte. Nach der Aufführung der Tannhäuser-Ouvertüre am 16. März 1852 bei der Allgemeinen Musikgesellschaft in Zürich schrieb Wagner an Theodor Uhlig: "Namentlich die Frauen sind um und um gewendet worden."

So mag es Mathilde Wesendonck ergangen sein, die mit ihrem Mann Otto wegen der politischen Zustände in Deutschland seit 1850 in Zürich lebte. Als Agnes Luckemeyer wurde sie 1828 in Elberfeld geboren.

1849 heiratete sie den erfolgreichen Kaufmann, der sie in Erinnerung an seine erste Frau "Mathilde" nannte. Doch wird sie schon drei Jahre später dem Komponisten Wagner und seinen unerhörten Klängen nicht mehr entkommen können.

Sechs Jahre dauerte die Dreiecks-Situation zwischen Wagner und den Wesendoncks. Mathilde, ihm in tiefer Seelenverwandtschaft zugetan, wird seine Muse, seine unerreichbare Geliebte, Otto sein Bewunderer und Geldgeber, der den Wagners sogar das Sommerhaus seiner Züricher Villa, das "Asyl", als Wohnsitz überlässt.

Jörg Aufenanger, wie seine Heldin Mathilde in Wuppertal geboren, beleuchtet in seinem neuen Buch "Richard Wagner und Mathilde Wesendonck" ihre ungewöhnliche Liebesgeschichte. In drei Akte hat er sein Buch gegliedert und folgt dabei dem Schema der Wagner-Oper "Tristan und Isolde", mit der der Komponist der Liebe zu Mathilde ein Denkmal setzte.

Obwohl der Autor gründlich in Briefen und Biografien recherchiert hat, ist mit dem Buch, das den Untertitel "Eine Künstlerliebe" trägt, kein Sachbuch, keine Biografie, aber auch kein Roman entstanden. Dem Sachbuch fehlt die Gesamtschau, dem Roman das Fiktive, der Biografie fehlen die Details. Das lässt Aufenanger immerhin anklingen, wenn er beispielsweise Mathildes Empfindungen zu fassen versucht, als sie die Tannhäuser-Ouvertüre erstmals hört.

Solche Passagen wirken arg pathetisch und passen nicht zum deskriptiven Stil des Restes. Stilkiller sind die vielen, ungelöst und unbeantwortet bleibenden Fragen, die der Autor stellt. Das ist populistisch, dient der Sache nicht, weil es Zusammenhänge ausblendet und eigene Sichtweisen verhindert.

Was Aufenanger gelingt, ist eine realistische und ehrliche Darstellung des Menschen Wagner, die Persönlichkeit zwischen Egoismus und Größenwahn auszuleuchten. Die Selbsttäuschungen, Lebensbeschwerden bis zum Lebensüberdruss stellt er dem Sendungsbewusstsein des Dichters und Komponisten gegenüber, der sich ". . . nur in solch rasendem Wahnsinn ganz zu Hause" fühlte.

Dass er seine einstige Muse und Geliebte ("Sie ist meine erste und einzige Liebe") allmählich schlichtweg vergaß, wertet Aufenanger als "Liebe mit Verrat" - dieser Mut zur Offenheit und zu kritischer Betrachtung machen es wert, das Buch zu lesen.

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