Glückspilz mit starken Nerven

Eine seltene Ehre: Der 21-jährige Klarinettist ist Stipendiat beim Sinfonieorchester. Der Student unterrichtet auch selbst.

Wuppertal. Starke Nerven, das ist das Wichtigste. Hunderte Zuhörer im Saal, 80 Kollegen neben einem, blendendes Scheinwerferlicht - und dann kein einziger falscher Ton, kein Kiekser, keine Verzögerung.

"Man darf Fehler machen - aber bitte nur in den Proben", sagt Jens Willenberg schmunzelnd. Der 21-jährige Klarinettist hat gut Lachen: Er darf für ein Jahr als Stipendiat im Sinfonieorchester Wuppertal mitspielen. Als einziger und erster seit Jahren wurde er dafür aus den Reihen der Studenten der Musikhochschule am Standort Wuppertal ausgewählt.

Ein Soloinstrument wie die Klarinette birgt dabei besondere Ansprüche: Während sich ein Geiger im Tutti verstecken kann, hört man auch die zweite Klarinette oft heraus, spätestens, wenn der Komponist eine Passage für Bassklarinette vorgesehen hat.

Doch Willenberg liebt die Herausforderung. "Ich habe Glück, dass sich hier so viel spielen darf und mich Generalmusikdirektor Toshiyuki Kamioka so fördert." Mit CD und Partitur prägt er sich neben dem eigentlichen Üben zu Hause den Ablauf der Opern ein, die er dann mit manchmal nur zwei Proben mitspielen muss.

"Die anderen Klarinettisten sind sehr hilfsbereit", schwärmt er. Sie treffen sich mit ihm vor der Probe, um die größten Tücken noch einmal durchzusprechen, oder gehen gar an einem Samstag das ganze Stück mit dem Studenten durch. "Vor der ersten Probe zittert man schon. Über Intonation oder richtige Noten wird hier kaum gesprochen."

Nach einem "Dienst", der zweieinhalb bis drei Stunden dauert, fühlt sich der Klarinettist richtig k.o., sagt er. Doch eine bessere Vorbereitung für künftige Probespiele gibt es nicht: "Es ist super, dass ich hier so viel Bassklarinette spielen kann - sie wird oft in Stellenausschreibungen gefordert."

Mit einer festen Orchesterstelle allerdings wagt der junge Musiker nicht zu rechnen. Zu häufig werden auch im Kulturbereich Stellen gestrichen, zu groß ist die Konkurrenz. Das Unterrichten sieht er da als gute Alternative. Schon jetzt bringt er an zwei Nachmittagen an der Bergischen Musikschule Kindern das Klarinette- oder Saxophonspielen bei. Sein Motto bei all diesen Aktivitäten: "Lieber zu viel als zu wenig."

Sehr früh schon hat sich der gebürtige Nürnberger für eine Profi-Musiker-Laufbahn entschieden. Nachdem er ein bisschen Geige und ein bisschen Klavier gelernt hatte, begann er mit Klarinette.

Schnell fand er daran solchen Gefallen, dass er das Gymnasium nach der zehnten Klasse verlassen wollte - sehr zum Missfallen der Eltern, beide Lehrer. "Das war ein heißer Kampf." Doch Willenberg setzte sich durch, schaffte die Aufnahmeprüfung an allen vier anvisierten Hochschulen und begann mit 17 Jahren in Würzburg. "Da musste ich die Immatrikulationsbescheinigungen noch von meinen Eltern unterschreiben lassen", sagt er.

Nach einem Semester wechselte Willenberg vor dreieinhalb Jahren nach Wuppertal, wo ihm der Lehrer Wilfried Roth-Schmidt besser zusagte: "Wenn man noch so jung ist, muss man viel Basis-Arbeit leisten und braucht viel Unterricht."

Rund sechs Stunden übte er jeden Tag, kam um 8 Uhr früh zur Musikhochschule, weil er zu Hause nicht üben darf, und hörte nach einer langen Mittagspause oft erst um 22 Uhr abends auf. An der Wuppertaler Hochschule schätzt er die kleinen Klassen und kurzen Wege.

Von der Stadt selbst hat er bei seinem Arbeitspensum noch nicht viel gesehen, aber immerhin hat er hier eine Freundin gefunden. Für sie lässt der 21-Jährige selbst eine viel versprechende Mugge ("Musik gegen Geld") in einem Orchester sausen, um ein paar ungestörte Tage an der Nordsee zu verbringen.

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