Freie Kultur in Wuppertal Wie wir (uns durch) Stadt und Welt bewegen

Uta Atzpodien macht sich Gedanken über das Zusammentreffen von Mobilität und Kunst.

Dramaturgin Uta Atzpodien.  Foto: V. Bogner

Dramaturgin Uta Atzpodien. Foto: V. Bogner

Foto: Vicotira Bogner

Am Mirker Bahnhof steht ein großer Pfeiler mit Schildern in alle Himmelsrichtungen. Die Namen der Partnerstädte Wuppertals lese ich darauf und wieviel Kilometer die Orte von Wuppertal entfernt in der weiten Welt liegen. Der „Grüne Weg e.V.“ hat sie hier aufgestellt. Engagierte Menschen haben eine Kultur von Reiselust, Austausch und Fahrrad-Mobilität etabliert. Seit über zwanzig Jahren organisieren sie Fahrradtouren von einer Stadt zur nächsten. Als Mitveranstalter unterstützt der „Grüne Weg“ lokal die Programmreihe „Landpartien per Rad“, die sich die börse ausgedacht hat.

In seiner Kolumne vor zwei Wochen hat Torsten Krug auf die Reihe „Anders leben mit Kultur“ aufmerksam gemacht. Wie ich es im Leben liebe: Persönliche Empfehlungen weisen Wege.

Am letzten Samstag führte uns die erste Landpartie über die Nordbahntrasse zum „Gut zur Linden“ am Rande von Vohwinkel. Ein in den letzten Wochen häufig gefühltes Spannungsfeld begleitete mich: Der Sommer neckt weiter mit seinem blauem Himmel, Sonne und tollen Lichtstimmungen. Gleichzeitig ächzt die Natur, verdorren Wiesen und Pflanzen, und von einigen Höfen ist zu hören, dass mangels Futter Tiere notgeschlachtet werden.

Auf der gemeinsamen Fahrt zum „Gut zur Linden“ entspinnen sich tolle Gespräche. Wie sieht eine konventionelle und zugleich engagierte Landwirtschaft vor den Toren der Stadt aus? Es ist ein Familienunternehmen mit Hofladen, Ochsenviehzucht, Dinkel-Freilandeiern, Selbstpflückgärten und der Gartenlust. Letztere steht für zu verpachtende 50 m²-Parzellen, auf denen engagierte Städter von Mai bis November selbst Gemüse und Obst anbauen können. In der bunten Pflanzen-Vielfalt spüre ich die Gärtnerlust.

Was passiert? Menschen übernehmen Verantwortung, kaufen nicht einfach nur im Supermarkt ein, sondern bauen selbst an. So entsteht ein lokaler Bezug, ein Verständnis für Lebensmittel und Gemeinschaft untereinander und zum Hof selbst. Erfahrungen machen menschliche Kultur aus. Auf der „Landpartie“ hinterlassen die Einblicke in die klimatisch bedingte Notsitua­tion der Landwirte wie auch die berührenden Songs des Musikers Tom Taschenmesser beim Picknick vor dem Dorfladen mit Dinkelbier Erfahrungsspuren. Sie sind Teil einer Kultur, die wir zusammen gestalten. Die „Landpartien per Rad“ haben etwas von dem euphorischen Gemeinschafts-Flair, den wir von der monatlichen Critical Mass und der Nordbahntrasse her kennen.

Wie kann eine zukunftsweisende Mobilität aussehen für eine Stadt mit besserer Luft, weniger Verkehr, weniger Straßengefahren für die Menschen, die in ihr leben? Kunst und Kultur haben schon immer vermocht, schräg und spielerisch Fragen zu stellen und sinnlich wachzurütteln.

Am 1. September läutet „Klarmachen zum Stadtradeln!“ von 12 bis 16 Uhr das hiesige Stadtradeln im Monat September ein. Die in Utopiastadt beheimateten Mirker Schrauba siedeln für ein paar Stunden auf dem Barmer Geschwister-Scholl-Platz. In ihrem Reparaturcafé werden die Räder fit gemacht: Hilfe zur Selbsthilfe. Vielversprechend ist das ungewöhnliche Zusammenspiel mit der Perkussionistin Salome Amend samt Klang­installation und den schräg erfrischenden Performern der Mobilen Oase aus Oberbarmen.

Mobilität trifft Kunst. Wohin geht die Reise? Und wie? Wir alle können uns klarmachen und Wege dafür erkunden und weisen, wie wir (uns durch) die Stadt und die Welt bewegen wollen.

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