Festival der Stimmen: Finale mit Höllenengel und Ganoven

Das Festival endete mit einem furiosen Finale in der Immanuelskirche.

Wuppertal. Was sich mit "Abzählreim" so kindlich oder unterhaltsam, spielerisch oder lustig anhört, war mitnichten leichtfüßige Unterhaltung. Denn verfasst hat die Verse Paul Celan - und dessen Sicht auf die Dinge ist nie fröhlich und unbeschwert. Von Höllenengeln, Entmenschlichung, Banditen und den Widrigkeiten des Seins erzählt der Lyriker, dessen Texte Schauspieler Thomas Braus beim Abschlusskonzert des "Festivals der Stimmen" las.

Es war ein fulminanter Abschluss des elftägigen Festivals, das mit der Veranstaltung in der Immanuelskirche ein überaus würdiges Finale erlebte. Zum 71.Jahrestag der Pogromnacht 1938 war ein zu Herzen gehendes, ergreifendes und den Kopf beschäftigendes Programm zusammengestellt worden. Dieses bestand einerseits aus dem von Sonorfeo kreierten Celan-Projekt.

Ausführende waren Ensemble-Schauspieler Thomas Braus als Sprecher, Flötist Matthias Nahmmacher, seine Frau Ulrike Nahmmacher (Violine) und Bettina Hagedorn (Violincello). Andächtig und konzentriert hörten die Gäste zu, was auch notwendig war, wollte man bei Celans Texten ("Ich bin Du, wenn ich ich bin") nicht sofort den Anschluss verlieren.

Als Kontrast zu "Sprich auch Du", "Engführung", "Gauner- und Ganovenweise" und "Corona" mutete Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Kantate BWV106 "Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit" mit der Kantorei Barmen-Gemarke und Sopranistin Birte Hopstein, Mezzosopranistin Verena Kortmann, dem Tenor Arian Stettler und Matthias Heine-Bohnes (Bass) an - welch Wohlklang und melodiöse Entspannung für Herz und Hirn.

Doch zum bloß entspannten Zurücklehnen war das Publikum nicht angetreten. Unter Wolfgang Kläseners Leitung stand auch der von Heinz Hollinger komponierte Psalm für acht Solisten und Chor. Das vom Oratorien-Ensemble der Musikhochschule gesungene Werk ist Musik dicht an der Hörbarkeitsgrenze, wie es bereits in der Anmerkung in der Partitur heißt. Was mit Bravour zu Gehör gebracht wurde, erreichte Grenzbereiche musikalischer Auslotung und psychischer Bewältigbarkeit. Stimmkontrolle, rhythmische Präsenz und interpretatorisches Engagement war überwältigend.

Als wäre das alles nicht genug für Geist und Sinne, stand auch Wolfgang Rihms Auseinandersetzung mit Celan auf dem Programm. Interpretiert wurde dessen Verarbeitung des Gedichts "Tenebrae" in "Deus passus". Nach straff strukturierten 90 Minuten spendete das begeisterte Publikum tosenden Applaus für eine fabelhafte Aufführung.

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