Projekt Fasziniert von Else Lasker-Schüler

Birte Fritsch leitet „Meinwärts“ - Wuppertals Projekt zum 150. Geburtstag der Künstlerin.

Birte Fritsch leitet das Projekt „Meinwärts. 150 Jahre Else Lasker-Schüler“. Neben ihr das Veranstaltungsplakat mit einem Bild der Künstlerin.

Birte Fritsch leitet das Projekt „Meinwärts. 150 Jahre Else Lasker-Schüler“. Neben ihr das Veranstaltungsplakat mit einem Bild der Künstlerin.

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Ich will in das Grenzenlose zu mir zurück“, beginnt das berühmte Gedicht „Weltflucht“, das mit „Meinwärts“ endet. Else Lasker-Schüler (ELS; 1869 bis 1945) hat es 1910 geschrieben. Ein großartiges Gedicht einer großartigen Künstlerin, die viel zu schade sei, um in den Schubladen der Nachlassverwaltung oder der Herzschmerzdichtung zu verschwinden. Findet Birte Fritsch, Projektleiterin des Else Lasker-Schüler-Jahres 2019 in Wuppertal. Die 31-Jährige hat das Kunstwort „Meinwärts“ zum Titel des Programms zum 150. Geburtstag der Elberfelder Tochter ELS gewählt, weil „es sehr gut die Sinnsuche, die Suche nach Identität beschreibt, die auch in unserer Zeit hochaktuell ist“.

Literatur hat für Birte Fritsch schon immer viel mit Empathie zu tun gehabt. „Else Lasker-Schüler war dadurch schon immer da“, erzählt sie, ohne einen konkreten Zeitpunkt oder Anlass erinnern zu können, ab dem die vielseitige Künstlerin in ihr Leben trat. Eine Künstlerin, die sie als Person beeindruckt, die sie wegen „ihres Querulantinnendaseins, ihrer unendlichen Individualisierung und der hohen Verkunstung ihrer eigenen Person“ schätzt. ELS sei, obwohl ein Kind des 19. Jahrhunderts, als Frau geradewegs ihren Weg gegangen. War alleinerziehende Mutter und starb im Exil. „Sie hat durch ihr interkulturelles, interreligiöses und intersexuelles Wirken einen großen aktuellen Bezug.“ Klar gefallen Fritsch auch die literarischen Werke, sie liebt die Gedichte und doch ist Prosa, das Stück „IchundIch“, ihr erklärter Liebling, weil es „ein irres Stück“ sei, ein spannendes Drama mit einer Strahlkraft, die weit über die Situation seiner Entstehung im Dritten Reich hinausgehe. Umso mehr freut sich Fritsch, dass es 2019 in Wuppertal aufgeführt wird.

Der Weg zur aktuellen Projektleitung war kein direkter. Fritsch hatte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Komparatistik an der Bergischen Universität studiert, wurde dort nach dem Abschluss Lehrbeauftragte für französische und spanische Literatur. Aktuell promoviert sie in Münster an der „Graduate School Practices of Literature“, hat auch in Münster Lehraufträge in germanistischer Literaturwissenschaft. In Wuppertal engagierte sich Fritsch im Givebox-Format und moderiert außerdem Lesungen bei den jüdischen Kulturtagen. Über ihren Doktorvater kam sie 2013 zum Literatur-Tisch, der die Wuppertaler Literaturbiennale vorbereitet. Bildete zusammen mit einer Kommilitonin die Vorjury des mit der Biennale verbundenen Nachwuchsautorenwettbewerbs und lernte so das Kulturbüro kennen.

Im Mai 2018 fragte die damalige Kulturbüroleiterin Monika Heigermoser Fritsch, ob sie sich die Projektleitung im Else Lasker-Schüler-Jahr vorstellen könne. Anfang Juli begann die Arbeit im Kulturbüro. Ein Konzept wurde erstellt, das einerseits roter Faden des Geburtstagsprogramms sein und andererseits Fördertöpfe erschließen sollte. Eine Aufgabe, die Geduld erforderte - und sich auszahlte. Im Dezember stand fest: 150 000 Euro stehen zur Verfügung; getragen vom Bund (102 000 Euro); dem Land, der Jackstädt Stiftung, der Stadtsparkasse und ein wenig auch vom Kulturbüro. Das wiederum seine Aufgabe vor allem darin sieht, seine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, um Marketingmaßnahmen zu ergreifen, Informationen in die Öffentlichkeit zu bringen, mit anzupacken, die zahlreichen Akteure mit ihren Projekten zu koordinieren und selbst auch Programm beizusteuern.

Mittlerweile hat Fritsch viele Gespräche geführt, zuvörderst natürlich mit dem Vorsitzenden der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft Hajo Jahn, „ohne den das alles nicht denkbar wäre“. Sie hat die zahlreichen Akteure kennengelernt, ist von ihrem Enthusiasmus, ihrem Engagement und ihrer fundierten Kenntnis fasziniert. Im Januar trafen sie sich dann zur Auftakt-Pressekonferenz im Theater am Engelsgarten, Startschuss für ein ELS-Festival mit vielen Facetten, die nicht nur in der Hochkultur verwurzelt sind. Gilt es doch, auch Lasker-Schüler-ferne Menschen zu interessieren. Mit einem Plakat, auf dem die Künstlerin Mona Lisa ähnlich den Betrachter anschaut, einem Flyer, auf dem eine Zeichnung bewusst macht, dass ELS mehr als nur schreiben konnte, mit zahlreichen Veranstaltungen, die sich noch immer verändern, so dass bislang nur die ersten drei Monate wirklich feststehen.

Lesungen werden überraschend und anders inszeniert

Das Kutlurbüro selbst will in weiterführende Schulen gehen, dort mit einer eigenen Materialsammlung zur Beschäftigung mit ELS anregen und dazu einladen, darüber im Blog auf der els2019.de-Seite zu berichten. Im Sommer steht dann das Literaturfestival „Meinwärts schreiben“ an, das in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin Autoren aus Deutschland, der Schweiz und Israel zusammenführt und das auch klassische Lesungen beinhaltet. In der heißen Vorbereitungsphase befinden sich derzeit die sogenannten „Popup-Literaturcafés“, die Fritsch besonders am Herzen liegen: „Unter dem Titel ‚Prinzessin Jussuf von Theben’ wollen wir Lesungen an unterschiedlichen Orten, vielleicht an der Trasse oder im Luisenviertel, überraschend und anders inszenieren, den illustren Dialog suchen, das jüngere Publikum ansprechen.“

 Traditionelle Veranstaltungsformate allein reichen da nicht, sind Fritsch auch zu gefällig, was überdies der „ungefälligen“ ELS nicht gerecht würde. Fritschs Ziel: „Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, dass die Auseinandersetzung mit ihr lebhaft bleibt und sie weiter inspiriert: junge Frauen ihren Weg zu gehen, Künstler gegen Konventionen anzugehen und jeden, Grenzen zu überwinden.“

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