Wuppertal : Else Lasker-Schüler: Poetin, Spielerin, Weltbürgerin
2019 wäre Wuppertals berühmte Tochter Else Lasker-Schüler 150 Jahre alt geworden. Die WZ widmet ihr eine Serie.
Else Lasker-Schüler kallt Platt, Elberfeld ist erklärtermaßen ihre Heimat. Trotzdem flüchtet sie 1894 in eine (erste) Ehe, raus aus der Enge des puritanisch-pietistischen WupperTals nach Berlin. Eine große Liebe zu dem Arzt Berthold Lasker scheint es nicht gewesen zu sein. Der einzige Sohn war ein Wunschkind von einem anderen Mann.
Der Weg von Elberfeld nach Jerusalem führt über Länder und Kontinente. Wenn sich die Dichterin hinter poetischen Masken wie „Jussuf“ oder „Tino von Bagdad“, „Indianerin“ oder „Blauer Jaguar“ und vielen anderen versteckt, so sind diese Mystifikationen zugleich Symptom einer Welt, in der das Leben nur verkleidet ertragen werden kann. Während ihres Lebens verwandelt sich Deutschland aus einer aufklärerischen Kulturnation in einen machtgierigen Nationalstaat, zum mordenden Monster.
Else Lasker-Schüler erkennt dies hellsichtig in Jerusalem in ihrem letzten, geradezu genialen Theaterstück „Ichundich“. Hier, im Hebräerland, kehrt sie lyrisch zu ihren jüdischen Vorfahren zurück, aber es ist nicht wie bei der Heimkehr des verlorenen Sohns. Ihr Volk ist kein Schoß, der Geborgenheit und Sicherheit bieten kann: „ … Hab mich so abgeströmt / Von meines Blutes Mostvergorenheit. / Und immer, immer noch der Widerhall / In mir, / Wenn schauerlich gen Ost / Das morsche Felsgebein, / Mein Volk, / Zu Gott schreit.“
ELS schafft sich ihren eigenen Mythos, ein Konglomerat aus syrisch-ägyptischen, griechischen, jüdi-schen und christlichen Bildern. Als „Prinz von Theben“ verteidigt sie ihr Märchenreich gegen die Zumutungen des Alltags. Die Alter Egos Else Lasker-Schülers sind nicht nur literarische Fantasie-gestalten. Sie dienen ihrem Selbstschutz, leidet doch die Dichterin oft unter bitterer Armut. Die gehört untrennbar zu ihrem Künstlertum, das in Berlin beginnt: Die deutsche Jüdin in einem lebensgefährlichen Strudel: sie rettet sich dichtend in einen Traum, der mit der Wirklichkeit nicht mehr zur Deckung kommt.
Eine Wirklichkeit ohne eigene Wohnung nach ihrer zweiten Scheidung (von Herwarth Walden), manchmal auf Bänken übernachtend. Arme Poetin und - Spielerin. Das Verwirrspiel ihres Lebens: Die Kunst.