Ein Traum von Indien in Barmen
Shantala Shivalingappa spricht über „Bamboo Blues“, Pina Bausch und ihr neuestes Projekt.
Frau Shivalingappa, Sie sind — künstlerisch gesehen — in verschiedenen Welten zu Hause und haben nicht zuletzt mit dem Tanztheater Wuppertal die Welt bereist. Welche Rolle hat Pina Bausch in Ihrem Leben gespielt?
Shantala Shivalingappa: Pina öffnete mir Türen zu einer sehr reichen und lebendigen Welt künstlerischer Ausdrucks- und Erforschungsmöglichkeiten. Durch sie und ihre Tänzer begann ich erst, mich mit Bewegungen des zeitgenössischen Tanzes auseinanderzusetzen. Durch diesen Prozess beeinflusste sie auch meine Wahrnehmung des klassischen indischen Tanzes. Sie prägte meinen Umgang mit Rhythmus, Musikalität, Ästhetik, Gefühlsausdruck und eine bestimmte Sensibilität und Sicht der Welt. Sie war und ist für mich ein großes Vorbild, eine Mentorin, jemand, den ich bewunderte, respektierte und zutiefst liebte. Sie hat mich tief inspiriert.
Wie werden Sie Pina Bausch in Erinnerung behalten?
Shivalingappa: Als unglaublich kraftvolle, sensible und einzigartige Performerin, die ihr Publikum durch ihren Tanz zutiefst berührte. Die Bewegungen ihres Körpers waren Erweiterungen der Regungen ihres Herzens und ihrer Seele. Eine geniale Schöpferin, tief fasziniert und bewegt durch das Leben, die Menschen, und die Welt, in der wir leben. Sie arbeitete schonungslos und versuchte stets, einen Ausdruck zu finden für das, was sie inspirierte und berührte. So erreichte sie andere Menschen und brachte sie zusammen, darin war sie sehr stark. Sie ist in all ihren Tänzen und Stücken gegenwärtig, in allen Tänzern ihrer Kompanie, die es möglich machen, weiterhin ihre Stücke zu sehen und in den Herzen aller, die sie berührte.
Sie gelten vor allem als Meisterin des klassischen Kuchipudi. Was macht den Reiz dieser Tanzform aus?
Shivalingappa: Es ist eine hochentwickelte und reiche Tanztheaterform, die aus der Tradition des Geschichten-Erzählens kommt — durch Tanz, Musik oder andere dramatische Formen. All diese Elemente sind bei Kuchipudi untrennbar miteinander verbunden. So entstehen Geschichten, werden Charaktere belebt und Gefühle ausgedrückt, häufig auch nur für den schieren Reiz, die Freude an der puren Bewegung, an Rhythmus und Musik. Natürlich ist das, wie viele traditionelle Techniken, stark kodifiziert — mit einer höchst komplexen Struktur an symbolischen Gesten der Hände, Füße, der Körperhaltung, des Gesichtsausdrucks. Außerdem ist es ein sehr feines, ausdrucksstarkes Mittel — dank des eleganten, grazilen und kraftvollen Stils. Ein Mittel, das sowohl sprachliche als auch kulturelle Barrieren und Codierungen sprengt und eine sehr direkte, unmittelbare Beziehung zwischen Darsteller und Publikum schafft.