Wuppertaler Tanztheater Pina Bausch Ein Stück, das immer wieder tief unter die Haut geht

Jo Ann Endicott und Julie Shanahan leiten die Proben bei der Wiederaufnahme von „Die sieben Todsünden“.

 Szene aus „Die sieben Todsünden“ 2018 im Opernhaus.

Szene aus „Die sieben Todsünden“ 2018 im Opernhaus.

Foto: Oliver Look

„Die sieben Todsünden“ ist Pina Bauschs 1976 geschaffene Version des gleichnamigen Stücks von Bertolt Brecht (Text) und Kurt Weill (Musik). Sie erarbeiteten es zu einer Choreographie von George Balanchine im Jahr 1933. Ihr satirisches Ballett in sieben Bildern wurde mit Lotte Lenya und Tilly Losch in den Hauptrollen in Paris uraufgeführt. Es erzählt die Geschichte der naiven, nach Glück suchenden Anna, die für die Familie das Geld für ein Haus „anschaffen“ soll und dafür ihren Körper verkauft. Bauschs Stück gilt als das erste, das neue Formen des Tanztheaters erprobte.

Auf dem Notebook laufen
aktuelle Aufnahmen mit

Jo Ann Endicott stand in der Uraufführung und vielen weiteren Aufführungen als Anna auf der Bühne. Nun übernimmt sie – wie schon 2018 – die Probenleitung. Zusammen mit Julie Shanahan, die noch aktive Tänzerin der Compagnie ist. Hinzu kommen Bénédicte Billiet, Nazareth Panadero und Héléna Pikon. Das Stück wurde zuletzt 2018 in Wuppertal aufgeführt. Eine rechercheintensive Rekonstruktion wie vor kurzem noch bei Bauschs Blaubart-Stück („Blaubart. Beim Anhören einer Tonbandaufnahme von Béla Bartóks Oper ,Herzog Blaubarts Burg’“), das 26 Jahre nicht gespielt worden war, entfällt. Die Durchläufe bei den Proben sind länger, zusammenhängender. Auf dem Notebook laufen aktuelle Aufnahmen zum Vergleich und zur Überprüfung mit.

Auf den Proben wird die Musik vom Band eingespielt, Anna I singt live mit. In deutscher Sprache, während Englisch die Probensprache in einer Besetzung ist, die bei diesem Stück viele junge Gesichter hat. So übernimmt Youngster Stephanie Troyak wieder den Part der Anna II, der Einsatz der 24-Jährigen ist anstrengend – körperlich wie emotional.

In die ungleich bewegungsärmere und dafür gesangsreichere Rolle der Anna I schlüpfen Prominente, Ute Lemper und Meret Becker wechseln sich ab. Sowie Johanna Wokalek (sie und Becker lösen sich im zweiten Teil ab), Melissa Madden Gray, Erika Skrotzki und Steffen Laube, die an allen Aufführungstagen mitwirken. Außerdem singen Mark Bowman-Hester, Sebastian Campione, Sangmin Jeon und Simon Stricker vom Wuppertaler Opernensemble. Die Gäste müssen in die Proben eingebunden werden. Jo Ann Endicott führt, erklärt.

Anna I und Anna II halten immer wieder Zwiesprache

Immer wieder halten Anna I und Anna II Zwiesprache, Anna I hilft beim angedeuteten Kleidungswechsel, gibt vor, was Anna II zu tun hat, kommentiert singend den Fortlauf ihres Lebenswegs, ihre zweifelhafte Karriere in der Stadt, die vor allem durch männliche Ausbeutung gekennzeichnet ist. Auch dieser körperliche Missbrauch wird „nur“ angedeutet und fasst doch an. Zu sehen, wie ein Mensch gebrochen wird.

In den kurzen Proben-Pausen streben die Tänzerinnen und Tänzer hinaus. Oder arbeiten nach. Grüppchen bilden sich. Während einzelne am Holm oder auf dem Boden den Körper dehnen, wird ein Stuhl genau positioniert. Eine Handbewegung wird gezeigt, der Schritte-Ablauf einer Frauengruppe mehrfach wiederholt. Der achtsame Blick der Probeleiterinnen begleitet das Tun, das erst beendet wird, als jede dort steht, wo sie stehen soll.

So sehr der erste Teil anrührt, so spielfreudig wird das Thema im zweiten, Pinas Revue „Fürchtet euch nicht“, umgesetzt.

Insgesamt dauert das Stück zwei Stunden und 25 Minuten (eine Pause). mws

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