Ein Klangkosmos der besonderen Art

Sommerabendkonzert mit Fumito Nunoya in der Kirche am Kolk wird zur begeisternden Exkursion in die Musikwelt der Marimba.

Ein Klangkosmos der besonderen Art
Foto: Gerhard Bartsch

Er ist schnell, konzentriert und ständig in Bewegung. Die vier Schlägel in seinen Händen wirbeln über die Tasten vor ihm, treffen diese erstaunlich präzise, erschließen einen Klangkosmos, der das Kirchenschiff erfüllt, als rühre er von einem ganzen Orchester her. Fumito Nunoya spielt die Marimba meisterhaft, jenes Instrument, das wie ein großes Xylophon aussieht und doch weit mehr ist: Schlag-, Melodie- und Harmonieinstrument in einem. Am Samstag zog der schmale Mann mit seinem Spiel die gut gefüllte Kirche am Kolk im Rahmen der 22. Sommerabendkonzerte mit Kerzenschein in den Bann der Marimba-Musik.

Die „Marimba-Exkursion“ mit dem japanischen Professor aus Detmold beginnt mit einer Konzerteinführung. Konzertorganist und Kantor Thorsten Pech ist es „ein großes Vergnügen“, den Musiker vorzustellen, dessen Konzert eine Premiere in der Konzertreihe darstellt. Nunoya wurde 1979 in der japanischen Großstadt Akita geboren, begann mit sieben Jahren mit dem Klavierspiel, das ihm auch viel Freude bereitete. Bis er „bei einem Fest in meiner Heimatstadt traditionelle Trommler“ erlebte. Die Marimba erlaube ihm, beides, Melodie- und Schlagzeug zu spielen, erklärt er lächelnd. Heute bringt Nunoya nach Studium, Masterabschluss und mehreren Preisen anderen das Marimbaspiel an der Musikhochschule bei.

Die Marimba (oder das Marimbaphon), erklärt er, stammt ursprünglich aus Afrika, wurde in Guatemala entwickelt, gehört zur Familie der Mallet- (Schlagstab-, Schlägel-)Instrumente. Sie ist bis zu zweieinhalb Meter lang, umfasst bis zu fünfeinhalb Oktaven und verfügt über zwei Reihen aus Rosenholz gefertigter Tastaturen (den weißen und den schwarzen Tasten des Klaviers vergleichbar), unter denen Aluminiumresonanzrohre angebracht sind. Die Schlägel bestehen aus Palisanderholz, an deren Köpfen unterschiedlich farbige und große Wollkugeln angebracht sind. Bis zu acht Schlägel kann ein Marimbaspieler gleichzeitig schwingen. Nunoya beschränkt sich (bescheiden) auf vier, die er beständig nach jedem Satz wechselt und ohne jede sichtbare Anstrengung einsetzt. Thorsten Pech: „Die Schlägel der Marimba kann man mit den Registern der Orgel vergleichen.“

Thorsten Pech

In der europäischen Musik hat die Marimba erst Mitte des letzten Jahrhunderts Einzug gehalten — weshalb es weniger Eigenkompositionen gibt. Am Samstag bringt Nunoya ein Programm mit, das vor allem aus melodiösen Liedern besteht, „die Sie genießen können“. Während der Musiker sich gerne von Klavier und Geige begleiten lässt — so auch auf seinen bislang drei CDs — geht er in der Kirche am Kolk allein auf Exkursion. Die Konzertbesucher folgen ihm gebannt und zunehmend begeistert.

Nunoya spielt brillant, beherrscht die raschen Tempowechsel ebenso wie den nuancierten Lautstärkenauf- und abbau, den zarten und den kräftigen Anschlag, spielt rasende Triller ebenso perfekt wie die pointiert herausgespielte Einzelnote. Seine Marimba singt und tanzt, wenn er Klassiker wie „Debora’s Theme“ von Ennio Morriconne (aus „Once Upon a Time in America“; 1984; arr. Funito Numoya) oder „Over the Rainbow“ von Horald Arlen (1930er Jahre; arr. Robert Oetomo) spielt. Sie erscheinen einerseits völlig neu und entwickeln andererseits zugleich ihre allseits beliebte Stimmung.

Nunoya wagt sich auch an die Klassik und beweist, dass er sie versteht: Er übersetzt Johann Sebastian Bachs 14-minütige „Chaconne“ (aus Partita Nr. 2 für Violine; 1717-1720) präzise, stimmig und eindrucksvoll auf sein Instrument, die Noten erklingen, als wären sie dafür komponiert worden.

Natürlich spielt der Japaner auch für die Marimba komponierte Werke: Robert Aldriges „From My Little Island“ (1980er Jahre) führt leichtfüßig ins Konzert ein, das preisgekrönte „Luminosity“ des Polen Thomasz Golinski (2010) entwickelt unter Nunoya spürbar geheimnisvolle (erster Satz), dann furiose (zweiter Satz) Leuchtkraft.

Am Ende holt der Musiker noch mal richtig aus. Demonstriert mit Leigh Howard Stevens’ Stück „Rhythmic Caprice“ (das 1989 geschrieben wurde, um das große Spektrum der Marimba aufzuzeigen) vor allem die rhythmische Seite des Instruments. Er nutzt nun auch die Stäbe der Schlägel, die er gegen die Seiten der Tastaturen hüpfen lässt oder quer darauf legt. Applaus und Jubelrufe zollen dem Musiker und seiner Kunst Respekt und Dank. Nunoya wiederum bedankt sich mit zwei Zugaben.

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