Tanzen in den Tag beim Festival „Pina Bausch Zentrum under construction“ Warm Up mit Anna Wehsarg: „Hacke, Spitze, rum - Applaus“

Tanzen in den Tag beim Festival „Pina Bausch Zentrum under construction“ - und nun in der Mediathek.

 Anna Wehsarg  hier in „...como el musguito en la piedra, ay si, si, si…”, gehörte dem Tanztheater an. 

Anna Wehsarg  hier in „...como el musguito en la piedra, ay si, si, si…”, gehörte dem Tanztheater an. 

Foto: ja/Bo Lahola

„Hallo ihr Lieben, schön dass ihr da seid und heute mit mir tanzt“, begrüßt Anna Wehsarg ihr Publikum. Das freilich bleibt anonym, ist nicht bei ihr im Raum, wird zuhause am heimischen Computer vermutet. Um dort mit der sympathischen Tanzpädagogin „in den Tag zu tanzen“. An acht Morgen in der vergangenen Woche war das so, mit Musik, guter Laune, bequemer und rutschfester Kleidung sowie ausreichend Platz.

Im Rahmen des gestreamten Festivals „Pina Bausch Zentrum under construction“ vom 22. bis 29. November bot die ehemalige Pina Bausch-Tänzerin Wehsarg gefilmte Warm-Ups an und kam bestens an - bei den Vier- bis Siebenjährigen und so manchem Erwachsenen. In der Mediathek der Festivalseite sind die 20-minütigen digitalen Übungssessions weiterhin abruf- und tanzbar. Schließlich war das Ziel des Festivals, das geplante Pina Bausch Zentrum im alten Schauspielhaus sichtbar zu machen und so die noch lange andauernde Realisierungszeit zu überbrücken.

Während bei Erwachsenen oft der innere Schweinehund dem Frühsport im Wege steht, sind Kinder meist morgens schon hellwach und einsatzfreudig. Im ersten coronabedingten Lockdown, der die Familien wochenlang ans Haus band, führte das zum Revival der Frühsportsendungen - freilich nicht im Fernsehen, sondern vor allem im Netz. Anna Wehsarg und ihre vierjährige Tochter entdeckten damals die Übungsangebote eines Berliner Sportvereins für sich, erinnert die 42-Jährige. Außerdem verfügt die Tänzerin, Choreographin und Tanzpädagogin (Schwerpunkt auf Inklusion und Bildungsprojekten) über jede Menge eigene Erfahrungen mit der Tanzvermittlung an den Nachwuchs. Sie entwickelte zuletzt mit dem Künstler Kollektiv „Mach ma“ das Tanzstück „Starks Teppich“ für Kinder in Kitas und Grundschulen. „Tanzen ist heilsam, hilft auch bei der Inklusion“, weiß die gebürtige Essenerin.

Freilich arbeitet sie normalerweise mit einem realen Gegenüber. In der Corona-Krise aber musste sie umdenken, ihre Angebote filmen - allein, ohne großes Equipment, vor allem ohne Live-Publikum. Im Sommer sammelte sie ihre ersten Erfahrungen, nun im November hat sie sich mit dem zunächst gewöhnungsbedürftigen Vermittlungsweg angefreundet. An den Klickzahlen und den Kommentaren ihrer vorproduzierten Videos in den Sozialen Medien kann sie sehen, dass ihre Warm-Ups, die das Festivalprogramm täglich eröffneten, ankamen. Eine Teilnehmerin war sogar bei ihr zuhause aktiv: Ihre Tochter, die wegen einer erkrankten Erzieherin im Moment nicht den Kindergarten besuchen kann.

Die eigene Tochter hat
am Format mitgewirkt

Sie hat auch an der Vorbereitung des Formats mitgewirkt, das passgenau auf die Interessen von Kindergartenkindern bis Erstklässlern zugeschnitten wurde und keinerlei Vorbereitung bedarf. Im Gepäck hat Anna Wehsarg stets ein paar Ideen und eine Mischung aus Tanz-, Yoga- und Gymnastik-Bewegungen. Bevor die täglichen Warm-Ups beginnen können, müssen Kleidung und Platzverhältnisse gescheckt werden. Dann geht es mit einer Art Eröffnungs-Bewegungsabfolge los, der sich verschiedene Übungen anschließen, wozu auch mal ein Pas de deux mit einem Stofftier gehört. Meist aber ist die Tanzlehrerin allein aktiv, kommt ohne Hilfsmittel aus. Jede Folge endet mit einem Ritual: „Hacke, Spitze, rum - Applaus - für heute ist die Stunde aus“, sagt Wehsarg und vollführt Besagtes.

Von 2000 bis 2018 war die Tänzerin festes Ensemblemitglied des Tanztheaters Wuppertal. Die Realisierung des Pina Bausch Zentrums fände sie fantastisch, sagt sie. Zumal sie im alten Schauspielhaus viele Male aufgetreten ist und mit der großen Choreographin zusammengearbeitet hat. Wertvolle Erfahrungen sammeln konnte: „Es wäre wunderbar, wenn hier ein Ort entstehen würde, der das auch anderen ermöglicht.“ Außerdem sei das Gebäude mit seiner Architektur selbst einmalig und „lädt dazu ein, kreativ zu sein“.

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