Dominique Mercy erklärt sich zum „Tanz-Dinosaurier“

Vier Ausnahmekünstler und ihre bewegenden Bekenntnisse: Im Opernhaus sind „Freunde zu Gast“.

Wuppertal. Dinosaurier stehen nicht unbedingt in dem Verdacht, grazil die Welt erobert zu haben. Keine Frage: Wer sich mit einem riesigen Reptil vergleicht, muss eine große Portion Humor haben. Dominique Mercy hat sie: „Ich bin hier eine Art Dinosaurier“, meint das „Urgestein“ des Wuppertaler Tanztheaters, das im Opernhaus-Foyer charmant aus dem Nähkästchen plaudert.

Ein Bekenntnis, das beweist: Ein Dinosaurier kann tanzen — zumindest wenn er ein ganz besonderes, eben menschliches Exemplar ist, aus Frankreich stammt, seit 1973 eine feste Größe im Pina-Bausch-Ensemble ist und mit einem Augenzwinkern auf 40 bewegende Tanztheater-Jahre zurückblicken kann.

Da passt es bestens, dass das Ensemble seinen 40. Geburtstag nicht nur mit einer geballten Aufführungsoffensive feiert, sondern die Jubiläumsspielzeit auch für Begegnungen vor und neben der Bühne nutzt. So waren am Samstag erstmals „Freunde zu Gast“ — so heißt die neue Gesprächsreihe, in der internationale Gäste über ihre eigene Tanzkarriere, vor allem aber auch über ihre Beziehung zu Pina Bausch sprechen.

Es ist ein Auftakt nach Maß: Mehr als 60 Zuhörer freuen sich über jede Sitzgelegenheit im gut gefüllten Kronleuchter-Foyer. Gebannt folgen sie den Erzählungen und Erinnerungen eines gemischten Quartetts. Mucksmäuschenstill ist es, als Dominique Mercy, der selbst ernannte „Dinosaurier“, auf drei weitere Tanz-Größen trifft: Choreograph Mats Ek, Tänzerin Ana Laguna und Brigitte Lefèvre, seit 1995 Ballettdirektorin der Pariser Oper, bringen internationales Flair nach Barmen.

Es ist eine Herausforderung für Ohren und Gehirn. Denn wenn die Tanz-Elite ins Tal kommt, wird Tacheles geredet — mit viel Gefühl, nur nicht auf Deutsch. Übersetzt wird nicht — höchstens vom Französischen ins Englische und umgekehrt. In diesem Fall leistet Dominique Mercy, 1950 bei Bordeaux geboren, Brigitte Lefèvre charmant Schützenhilfe. Die aufmerksamen Zuhörer erfahren — auf gut Deutsch gesagt — zunächst keine wirklich überraschenden Bekenntnisse. Alle vier schwärmen von Pina Bausch — von ihrer Kreativität, ihre präzisen Arbeitsweise, ihrer Liebe zu ihren Tänzern. „She was a mystery“, betonen sie unisono. Ein Rätsel, ein Geheimnis sei vor allem ihr Blick gewesen, der den Eindruck erweckt habe, dass sie in die Seele des Gegenübers blicken konnte. „Sie hat uns immer wieder überrascht“, verrät Mercy und meint nicht zuletzt die Entscheidung der Choreographin, Ana Laguna beim Festival 2008 jenes Solo aus dem Stück „Für die Kinder von gestern, heute und morgen“ tanzen zu lassen, für das bis dato ein Mann — Dominique Mercy — zuständig gewesen war.

Überraschend ist auch Mercys Aussage, dass das Ensemble — speziell in den alles andere als einfachen Anfangsjahren — seiner Prinzipalin keinesfalls bedenkenlos gefolgt sei. „Sie war uns immer einen Schritt voraus. Andererseits war es nicht so, dass wir ihr immer blind gefolgt wären. Was nur wenige wissen: Es gab auch große Zweifel innerhalb der Kompanie.“

Und die Zukunft? Das Tanztheater ist dabei, sich neu zu strukturieren und zu verjüngen. „Es gibt keine Bibliothek für Ballett“, betont Mats Ek ganz allgemein. Ein Repertoire müsse von Körper zu Körper, von Kopf zu Kopf weitergegeben werden — was aber nur eine begrenzte Zeit lang möglich sei. In diesem Sinne wünscht Lefèvre dem Ensemble „ein langes Leben“. Das Publikum applaudiert — wohl wissend, dass in Barmen noch etliche „Dinosaurier“, sprich Tänzer der ersten Stunde, aktiv sind und das Bausch-Erbe lebendig halten.

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