Serie: Erste eigene Platte Bei Carole Kings „You’ve got a friend“ singt Dörte Bald noch heute mit

Dörte Bald über ihre erste eigene LP, ihre Plattensozialisiation, die Musik und ihre Dörte aus Heckinghausen.

 Gehören noch heute zusammen: Dörte Bald und ihre erste Platte, Carol Kings „Tapestry“.

Gehören noch heute zusammen: Dörte Bald und ihre erste Platte, Carol Kings „Tapestry“.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die erste eigene Platte von „Dörte (Bald) aus Heckinghausen“ muss ein Schlager sein. Vermutet der Kenner der heimischen Bühnenszene. Und liegt daneben. Denn das Heckinghauser Kind Dörte, geboren im Jahr 1961, hörte zwar in seinen ersten Lebensjahren vor allem Schlager aus den 1950er und 1960er Jahren. Ihre erste eigene Platte aber erwarb Dörte Ende der 1970er Jahre.

Carole Kings Langspielplatte „Tapestry“ (1971) hält sie noch heute in Ehren. Das Lied „You’ve got a friend“ hat sie verplattdeutscht und in ihrer „Barmer Küchenoper“ gesungen. In diesem Juni habe sich dann der Kreis geschlossen, erzählt sie: Ihr Neffe wünschte sich von ihr, dass sie das Lied bei seiner Hochzeit in Berlin singe. Schon auf der Autofahrt zum Fest stimmte sie sich mit einer alten Live-CD ein, ihr Vortrag sei für alle „sehr ergreifend und tränenreich“ verlaufen.

Die „Plattensozialisation“ begann zusammen mit den fünf Geschwistern vor der Musiktruhe der Eltern. Der Vater war vor seinem frühen Tod 1966 eifriger Kunde im Plattenladen von Karl vom Kothen am Werth gewesen, hatte sich dort jeden Samstag „eine Single gegönnt“, erzählt Bald. Im unteren Fach des Musikmöbels befanden sich die Vinylscheiben, der Plattenspieler war mit einem Wechsler ausgestattet, über den die Singles eine nach der anderen nach unten auf die Abspielscheibe fielen. Die Kinder hörten, auf dem Teppich davor liegend, gemeinsam zu. Bill Ramsey oder Dorthe, aber auch Hildegard Knef, die Brecht-Weill-Chansons sang und mit ihrer dunklen Stimme die junge Dörte faszinierte. Sonntags kam Klassik dazu, die Brandenburgischen Konzerte von Bach, die über ein Kabel von der Musiktruhe in die Küche geleitet wurden. Auch die vier älteren Geschwister beeinflussten den Musikgeschmack und natürlich der eigene Freundeskreis. Auf diese Weise lernte Dörte das Musical „Hair“ kennen, das sie „auswendig rauf und runter singen konnte“. Wurde Fan des Kabarettisten Jürgen von Manger (alias Adolf Tegtmeier) und der Komikerband „Insterburg und Co“, die von 1967 bis 1979 der „Kunst des höheren Blödsinns“ frönten. Beide gehören noch heute zu ihrer Plattensammlung, die sich seit einigen Jahren auf zwei Schuber beschränkt, nachdem sie die meisten an ihre Nichte verschenkt hatte.

Mit 16, 17 Jahren entdeckte Dörte Bald den amerikanischen Folk-Rock für sich – neben Carole King waren das James Taylor, Joni Mitchell und Carly Simon. Die ruhige, emotionale und textlastige Kombination von Stimme und Klavier oder Gitarre haben sie angesprochen. Zumal das Singen schon dem Kind Dörte lag, für sie ein „Überlebensding“ sei, sie entspanne. Live erlebte sie ihre Idole weniger, große Konzerte waren zu teuer. 2015 aber besuchte sie ein Konzert des mittlerweile 67-jährigen James Taylor in Hamburg – ein wunderbares Erlebnis, schwärmt sie noch heute.

Auch beruflich hat Dörte Bald mit Musik zu tun. Über ein Studium der Sonderpädagogik in Köln lernte sie ihren Mann kennen, der nicht nur die klassische Musik in ihrem Leben verankerte, sondern ihre Stimme entdeckte und sie darin unterstützte, ein Gesangsstudium zu ergreifen. Sie wechselte an die Musikhochschule in Wuppertal, wo sie nach dem Abschluss des Studiums Dozentin für Sprecherziehung wurde.

Der Weg zur Bühne war für sie kein Selbstläufer. Sie sei eine eher schüchterne junge Frau gewesen, sagt Bald. Einerseits „musste ich das lernen wie ein Handwerk“. Andererseits wohnte die Figur der Dörte aus Heckinghausen schon immer in ihr, wagte sich erstmals 1992 ins Rampenlicht: Als Hostess bei einer Geburtstagsfeier ihres Bruders und im lilafarbenen Strickanzug der Mutter und mit großer Brille auf der Nase auf der Bühne im Ottenbrucher Bahnhof. Während die Resonanz nicht direkt positiv war, machte Dörte eine unerwartete Erfahrung: Sie genoss es, auf der Bühne zu stehen, „ich merkte, dass ich machen kann, was ich will. Es ist egal, wie die Leute das finden. Es ist einfach schön auf der Bühne.“

Mit ihrer Kunstfigur eng verbunden sind nicht nur Schlager oder die Erinnerung an die „süße Oma“, die eine „Kittelfrau“ war, sondern vor allem die Bindung an Heckinghausen. Dort lebt sie heute in dem Haus, in dem sie aufgewachsen ist, im Musikantenviertel, von dem viele gar nicht wissen, dass es zum Stadtteil gehöre, erzählt Bald. Die Eltern schickten das Kind bewusst in die Grundschule Meyerstraße. „Meine Freundschaften kreisten nicht ums Tennisspielen, sondern um Fußball, ich liebte Tom Saywer und Huckleberry Finn.“

Noch heute sei sie gerne mit Menschen zusammen, die nicht wie sie der gebildeten Schicht angehören. Der bewusste Kontrast zum Bildungsbürgertum reize sie. „Ich will die schöne Seite des Unschönen zeigen, gegen die hässlichen Kübel an der Heckinghauser Straße ansingen“, erklärt sie. Angenehmer Nebeneffekt: Dörte aus Heckinghausen besetzt eine Nische.

Weshalb ihre Dörte auch ohne „Barmer Küchenoper“ weiterlebt, die sie im März 2019 schloss. Zwar fielen Auftritte beim Heimatkongress in der Stadthalle im März und ein Küchenoper-Special „Dörte und Friedrich“ zum Engelsjahr im Mai dem Corona-Lockdown zum Opfer. Im Januar aber soll zumindest die Küchenoper im Haus der Jugend in Barmen über die Bühne gehen. Einzelne Folgen mit neuen Leuten und Kooperationen drei- bis viermal im Jahr auf die Bühne zu bringen, „fände ich schon schön“. Derweil setzt sie ihr schauspielerisches Talent digital ein, macht Videos für die Kids des Kulturkindergartens, in denen sie zusammen mit dem Hund Pau, einer Handpuppe, die ihrem (echten) Hund ähnlich sehe, selbst ausgedachte Geschichten erzählt. Oder unterrichtet die Studenten der Musikhochschule – per Zoom und immer mit viel Humor. Die Begegnung mit Menschen, die sie zum Lachen bringen könne, sei ihr das wichtigste. Die Musik ein Medium dabei.

Einen Plattenspieler hat Dörte Bald nicht mehr. Musik hört sie bewusst – auf CD oder im Internet. Viel Klassik oder eben Carole King. Und manchmal schaut sie sich auch eine DVD mit den ersten Küchenoper-Folgen an, die sie selbst zum Lachen bringen.

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