Kultur „Die Materie bestimmt alles“

Der weltweit gefragte Bildhauer Tony Cragg über Theater, Computer und Terminkalender.

Wuppertal. Die Welt reißt sich um die Werke von Tony Cragg: Aktuell hat der Bildhauer Ausstellungen auf dem Mailänder Dom, im schwedischen Pilane, in der Synagoge Stommelen bei Köln und in Venedig. In diesem Jahr folgen noch Katar, Istanbul und Athen; für 2016 stehen die Eremitage in St. Petersburg und die große Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum fest.

Außerdem ist der 66-jährige Brite involviert in die spartenübergreifende Inszenierung von „Romeo und Julia“, die Robert Sturm in einer ehemaligen Produktionshalle vorbereitet.

Herr Cragg, Haben Sie für „Romeo und Julia“ spontan zugesagt?

Tony Cragg: Ich habe einfach „Ja“ gesagt — auch wenn ich noch nie im Theaterbereich gearbeitet habe, das ist also ein kleines Abenteuer. Und Profi-Bühnenbildner würden womöglich lachen, wenn sie sähen, was ich hier mache.

Wie konkret ist die Planung? Cragg: Bis jetzt ist das nur eine praktische und keine künstlerische Arbeit. Ich überlege, einige große Gussmodelle in die Halle zu bringen. Aber wir werden erst demnächst entscheiden, ob das als Gesamtbild funktioniert.

Was verbinden Sie mit „Romeo und Julia“?

Cragg: Das ist ein besonders relevantes Stück für die heutige Zeit. Es ist reine Psychologie — wie Menschen zu Freunden und Feinden werden, wie sie Liebe und Hass ausleben und wie sehr das alles auf einer irrationalen Basis stattfindet.

Sie stellen an sehr verschiedenen Orten aus: Wie suchen Sie dafür Arbeiten aus?

Cragg: Es gibt formale Bedingungen: Wie schwer dürfen Arbeiten sein, wie groß sind die Türen. Ansonsten beachte ich den Ort nicht so sehr. Ich baue Formen im Atelier, die für mich schön sind. Das ist unabhängig vom Ort — ich arbeite nicht installativ, das würde mich zu sehr einschränken. Heute ist es ja modern, Territorien abzustecken, aber das ist nicht das, was ich möchte.

Sie nutzen auch Computer für Ihre Arbeit — um leichter Formen zu entwickeln?

Cragg: Nein, das mache ich nicht. Ich finde, skulpturale Formen müssen auch eine emotionale Qualität haben — und die entwickelt man nicht im Computer. Der ist ein nützliches Werkzeug zum Vergrößern von Formen. Aber meine Skulpturen werden weitgehend aus Zeichnungen und Modellen entwickelt und manuell hergestellt. Ich brauche den Computer auch nicht für die Stabilität. Ich weiß inzwischen: Wenn ich etwas zeichnen kann, fällt es ganz schwer um.

Sie haben mal gesagt: Beim Entstehen einer Arbeit sei gar nicht klar, wer wirklich das Sagen hat: Sie oder die Skulptur. Wie kann das sein?

Cragg: Wir sind physisch von Materie bestimmt. Was ich im Kopf habe, ist das Resultat von Dingen und Material, die uns umgeben. Daher bestimmt das Material sowieso alles. Wieso sollte es anders sein, wenn man eine Skulptur macht? Das Material teilt sich immer mit. Wenn man an einer Arbeit ein Detail ändert, verändert sich tatsächlich die ganze Arbeit — und das ist nicht vorhersehbar.

Wie passt Ihr Leben als Künstler zu all den Terminen im In- und Ausland? Haben Sie einen dicht gedrängten Manager-Stundenplan?

Cragg: Nein, nein. Wenn ich reise, reise ich eigentlich immer kurz. Und es ist immer klar, dass Zeit für meine Arbeit freigelegt werden muss. Damit beschäftige ich mich weiter den Großteil des Tages — und das macht mir Spaß.

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